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Sei Kundschafter, sei aufmerksam! – Schlimmer kann es wohl kaum kommen. Dem qualvollen Tod am Kreuz ausgeliefert erlebt Jesus die Demütigung der Umstehenden. Er hatte sich selbst als der Menschensohn bezeichnet und damit eine Vorstellung aufgegriffen, die den Juden aus dem apokalyptischen Buch Daniel vertraut war.

Dort ist im 7. Kapitel die Rede vom „Menschensohn“, der auf den Wolken des Himmels kommt. Ihm werden „Herrschaft, Würde und Königtum übergeben. Alle Völker, Nationen und Sprachen müssen ihm dienen. Und seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft. Sein Reich geht niemals unter.“ (Dan 7,14) So lesen wir in dieser Weissagung, die auf das 2. vorchristliche Jahrhundert datiert wird.

Nun hängt dieser Menschensohn Jesus erbärmlich am Kreuz und muss sich von den führenden Männern des Volkes verhöhnen lassen. Ja, sogar einer der Verbrecher, schüttet seinen Hohn über ihn aus: „Bist du nicht der Messias? Dann hilf dir selbst und auch uns.“

Jesus lässt sich aber nicht beirren. Selbst in dieser äußersten Todesnot weiß er um sein Reich. Dem Verbrecher, der sich hilfesuchend an ihn wendet, verspricht er: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“

Wie hart stoßen da die Gegensätze aufeinander! Da sind die, die Jesus verspotten, die keinen Pfifferling für ihn geben würden. Und da ist der andere, der seine ganze Hoffnung auf Jesus setzt. Er soll und wird nicht der einzige bleiben, der sich an Jesus klammert. Matthäus überliefert in seinem Evangelium, wie der Hauptmann unter dem Kreuz ins Tiefste hinein vom Tod Jesu berührt ist: „Wahrhaftig, das war Gottes Sohn.“ (Mt 27,54)

Diesem Sohn Gottes, dem „Menschensohn“ Jesus, haben auch wir uns angeschlossen. Als Christen stehen wir mit unserem ganzen Glauben und mit aller Hoffnung, die wir aufbringen können, unter dem Kreuz Jesu. Für uns ist Jesus der König, auf den wir unsere Hoffnung setzen. Wir vertrauen auf ihn. Sicher ist das eine Auffassung, die viele unserer Zeitgenossen außer Fassung bringt, weil sie unseren Glauben weder teilen, noch nachvollziehen können.

Das Christentum in Europa und in unserem Land muss seinen Platz in der Öffentlichkeit neu suchen. Viele von uns haben als Kinder noch erlebt, wie der katholische Glaube etwa die Gesellschaft in vielfältiger Weise sehr stark geprägt hat.

  • Manche werden sich noch daran erinnern, wie wir z.B. an den so genannten Bitttagen, den Tagen vor dem Fest Christi Himmelfahrt, schulfrei bekommen haben, um an den Bittprozessionen teilzunehmen, oder wie wir mit der ganzen Schule die Bittprozession mitgegangen sind.
  • Der Josefstag war sogar einmal ein staatlicher Feiertag.
  • Ich habe mir auch erzählen lassen, wie am Kirchenpatrozinium die Angehörigen von nah und fern in der Kirche kamen und anschließend in den Familien zusammen gekommen sind.

So vieles wurde durch kirchliche Konventionen geregelt, dass es mancher Katholik als ein enges Korsett empfunden hat. Es hat sich vieles geändert. Heute müssen wir Christen unseren Glauben im Leben der Familien, wie auch in der Öffentlichkeit unseres Landes und der Welt wieder neu entdecken.

Großer Vorreiter ist dabei Papst Franziskus, der auf seine unorthodoxe Weise selbst fromme Christen zum Widerspruch reizen kann. So mancher fragt sich, ob Papst Franziskus nicht zum Ausverkauf christlicher Werte beiträgt. Auch kirchliche Würdenträger haben damit anscheinend ihre Probleme, wie wir es dieser Tage mal wieder in der Zeitung lesen mussten.

Aber Papst Franziskus hat recht. Mir scheint, er ist ganz nahe bei Jesus. Was wollte denn Jesus, was war seine Mission?

Er war kein König, der ein großes Heer befehligte. Er hat sich geweigert, mit dem Schwert dreinzuschlagen. Für ihn gab es nicht die gängige Einteilung von Gut und Bös, von Frommen und Sündern.

Jesus hat sich selber vielmehr als der Hirte gesehen, der dem verlorenen Schaf nachgegangen ist. Er ließ sich Freund der Zöllner und Sünder nennen, denn er wusste, dass gerade diese, die von vielen abgeschrieben wurden, empfänglich waren für die Botschaft von Vergebung und Verzeihen.

Papst Franziskus hatte unserer Kirche das vergangene Kirchenjahr als Jahr der Barmherzigkeit aufgetragen. Er selbst hat Zeichen der Barmherzigkeit gesetzt, spektakuläre, wie die kürzliche Wallfahrt von Wohnsitzlosen nach Rom, aber auch unspektakuläre, wie einen Besuch in einem Kinderkrankenhaus. Er wollte aufrufen und hat aufgefordert, Barmherzigkeit zu leben.

Das offizielle Jahr der Barmherzigkeit geht zu Ende. Nicht zu Ende geht unsere Aufgabe, Jesu Jünger, barmherzig zu sein. Es ist der bleibende Auftrag, Bürger eines anderen Reiches zu sein. Nicht dass wir den Staat ablehnen wollten, wie es manche Sekten tun. Ganz und gar nicht. Christen gestalten den Staat und die Gesellschaft, weil sie Bürger eines Reiches sind, in dem Gottes- und Menschenliebe das Grundgesetz bilden. Liebe, die auch die Liebe zu sich selbst einschließt.

Jesus ist der König in diesem Reich. Ein König, der sich nicht bedienen lassen will, sondern der selbst dienen will.

Sind wir aufmerksam für das, was wir an Liebeserweisen erfahren dürfen. Sind wir aber auch Kundschafter dessen, wie wir selbst Gott und den Menschen lieben können. Dann wird sein Reich Wirklichkeit unter uns.

Amen.

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