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Ist das Evangelium gestern geschrieben worden? Man könnte meinen, es wäre in unserer Zeit verfasst, was schon fast 2000 Jahre alt ist. Der Evangelist Markus überliefert uns sehr deutliche Worte Jesu. Herrscher unterdrücken ihre Völker, die Mächtigen missbrauchen ihre Macht über die Menschen.

Dabei soll es eigentlich doch ganz anders sein: Der, der groß sein will, soll dienen und wer der Erste sein will, soll sich zum Sklaven machen.

Jesus selber ist dafür das Beispiel: Er selbst ist gekommen, nicht um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen. Im Abendmahlssaal hat er seinen Jüngern – wie ein Sklave – die Füße gewaschen. Ja, er hat sogar sein Leben hingegeben als Lösegeld für viele.

Das Evangelium ist so aktuell, als ob es gestern geschrieben wäre. Wir leben in einer Zeit, die in Aufruhr ist:

  • Mit Schaudern sehe ich Bilder von ertrinkenden Flüchtlingen im Mittelmeer.
  • Das Fanal, das die syrische Stadt Aleppo erlebt, ist mit Worten gar nicht mehr zu beschreiben.
  • Europa baut sich zur Festung aus, damit möglichst wenig Menschen unsere Sicherheit stören.
  • Der islamistische Terror ist uns ganz nahe gekommen, wie die Festnahmen in Chemnitz mit dem Selbstmord des jungen Syrers und die Attentate in Würzburg und Ansbach deutlich machen.

Die Welt ist in Aufruhr, viele Menschen sind verunsichert und tragen Angst vor der Zukunft. Die Provinzposse in Amerika, die die beiden Präsidentschaftskandidaten aufführen, könnte ja zum Lachen reizen, wenn es nicht zutiefst traurig wäre, was da geschieht. Und dieses Schauspiel trägt nicht zur Beruhigung, eher zur Unruhe bei.

„Die, die als Herrscher gelten, unterdrücken die Völker und die Mächtigen missbrauchen ihre Macht über die Menschen. Bei euch aber soll es nicht so sein!“ So haben wir Jesus eben im Evangelium gehört.

Wir schauen auf die Heilige Hedwig von Schlesien. Bei ihr war es tatsächlich nicht so, wie es Jesus mit düsteren Worten gemalt hat. „Hedwig widmete sich während ihres ganzen Lebens in Schlesien dem Wohl ihres Volkes und der Vertiefung des christlichen Glaubens in der Bevölkerung.“ So lese ich in Vera Schaubers Buch über die Heiligen im Jahreslauf.

1174 kam Hedwig auf Schloss Andechs in Bayern zur Welt. Schon mit 12 Jahren wurde sie von ihrem Vater aus machtpolitischen Gründen mit dem schlesischen Herzog Heinrich I. verheiratet. Was kaum möglich schien, trat ein: Die Ehe wurde ausgesprochen glücklich. Sieben Kinder brachte Hedwig zur Welt und sie lebte bis zum Tod ihres Mannes im Jahre 1238 in Glück und Harmonie mit ihm zusammen.

Hedwig musste aber auch schreckliches Leid ertragen. Ihr Heimatschloss Andechs wurde völlig zerstört, ihre Schwester Gertrud fiel einem Mordanschlag zum Opfer, drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes fiel Hedwigs ältester Sohn Heinrich II. während eines Kriegszuges.

Doch Hedwig war nicht nur Mutter für ihre Kinder, sondern auch für ihre Untertanen im schlesischen Herzogtum. Kein Wunder, dass sie Patronin der Heimatvertriebenen geworden ist. Haben nicht gerade Sie, die Sie aus ihren Dörfern und Städten im Sudetenland oder in Schlesien vertrieben worden sind, sich mit Hedwig in besonderer Weise verbunden gefühlt?

Wer alleine ist, sucht seine Mutter. Wer sich verloren glaubt, braucht jemand, der nach ihm schaut. Die Heilige Hedwig, die wir heute ehren, ist in besonderer Weise Vorbild und Trösterin für die, denen auf ihrer Flucht oft jeglicher Trost abhanden gekommen war.

Ich schaue auf die Flüchtlinge, die zu uns nach Erlenbach gekommen sind:

  • Unter den ca. 100 Flüchtlingen sind auch so genannte „unbegleitete Jugendliche“. Zwei Brüder – einer 15 oder 16, der andere 19 Jahre alt -, die auf der Flucht ihre Eltern verloren haben. Sie wissen nicht, ob diese vermisst oder umgekommen sind.
  • Ich selbst übe mit einem syrischen jungen Mann die deutsche Sprache. Er ist wissbegierig und will viel lernen. In seiner Heimat wurde ihm das Haus über dem Kopf weggebombt. Er will arbeiten und in Frieden leben können. Auch für seine Mutter in der Heimat wünscht er sich dies. Sie konnte nicht fliehen, sein Vater ist schon einige Jahre tot.

Vielleicht können wir in Deutschland mit unserer Solidarität und Hilfsbereitschaft diesen Menschen ein wenig ihr Los und ihr Leben leichter werden lassen. Es ist schwer genug. Vielleicht werden wir ein wenig Hedwig, eine Frau – oder auch ein Mann – mit einem weiten Herz für Menschen in Not.

Was vor mehr als 70 Jahren in Mitteleuropa geschehen ist, dass viele unserer Landsleute aus ihrer Heimat vertrieben worden sind, das ereignet sich heute auf andere Weise wieder neu. Nur, wie gehen wir damit um?

Fluchtursachen gilt es zu bekämpfen, Gerechtigkeit und Menschlichkeit in den afrikanischen Staaten, wie auch in den Staaten des Nahen Ostens Wirklichkeit werden zu lassen. Bei uns in Deutschland und in vielen Ländern Europas ist Macht vorhanden, Finanzmacht, die vieles bestimmen kann. Sie kann missbraucht werden, um sich eigene Vorteile zu verschaffen, sie kann aber auch gebraucht werden, um Menschen zu dienen.

Ich wünsche uns allen ein wenig von der Heiligen Hedwig, von ihrer Liebe und Demut allen Menschen gegenüber. Ich wünsche uns und unserer Welt den Frieden, der letztendlich aus dem Geiste Gottes kommt, den Geist, den Hedwig ganz gewiss in sich getragen hat.

Amen.

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