header

„Hört ihr Leut' und laßt euch sagen, unsre Glock hat Vier geschlagen, Vierfach ist das Ackerfeld, Mensch, wie ist dein Herz bestellt?“ Das alte fränkische Nachtwächterlied lässt aufhorchen. Es sagt die Stunden an und ruft zum Nachdenken auf. Auch uns!

„Vierfach ist das Ackerfeld, Mensch, wie ist dein Herz bestellt?“ Wie ist es um unser Herz bestellt?

  • Ist es so hart wie ein festgetretener Weg? Dort hat der Same keine Chance und wird von den Vögeln aufgefressen.
  • Oder ist unser Herz rissig wie ein ausgetrockneter Boden? Der Same kann zwar eindringen, findet aber nur wenig Erde, um wirklich keimen und Frucht tragen zu können.
  • Ist unser Herz ein Dornengestrüpp? Dort geht es zu wie unter „Kraut und Rüben“, nichts kann sich entwickeln, die Frucht wird im Keim erstickt.
  • Oder ist unser Herz tatsächlich vergleichbar mit einem fruchtbaren Ackerfeld, in dem der Same keimen, treiben und Frucht tragen kann?

Jesus fordert seine Jünger auf nachzudenken. Er fordert auch uns heraus, dass wir uns Gedanken machen: „Mensch, wie ist dein Herz bestellt?“ Wahrscheinlich ist von jedem der vier im Evangelium genannten Möglichkeiten etwas darin, möchte ich mal so sagen.

Wir nehmen heute Abschied von unseren Schwestern Pietra und Dagmar. Mit ihrem Weggang endet eine lange Zeit von mehr als 100 Jahren, in denen die Schwestern des Erlösers hier bei uns in Erlenbach gewirkt haben.

Die Entwicklung des Ordens der Barmherzigen Schwestern, die die Entwicklung der Kirche widerspiegelt, der Rückgang an Berufungen, bringt es mit sich, dass unsere Schwesternstation aufgelöst wird und unsere beiden Schwestern Pietra und Dagmar ins Mutterhaus nach Würzburg zurück gerufen werden.

„Mensch, wie ist dein Herz bestellt?“

Um unser Herz ist es im Augenblick schwer, denn ein Abschied tut immer weh. Mir persönlich tut es weh, von zwei Schwestern Abschied nehmen zu müssen, die mir in den acht Jahren, in denen ich hier Pfarrer sein darf, ans Herz gewachsen sind. Den meisten von Ihnen hier in der Kirche wird es ähnlich gehen. Es ist uns schwer ums Herz.

Jedoch sind wir auch dankbar, dass wir Sie, liebe Schwester Pietra und liebe Schwester Dagmar, wie auch alle anderen Schwestern, die in Erlenbach gewirkt haben, hier bei uns hatten. Sie waren für uns in Erlenbach so etwas wie Säleute, um im Bild des heutigen Evangeliums zu bleiben. Sie haben den Acker unserer Herzen und unseres Lebens für uns ein wenig mitbestellt.

Ich will das an paar Beispielen festmachen.

  1. Zentrum in unserem Schwesternhaus war die Hauskapelle. Dort haben unsere Schwestern das Stundengebet - auch für die Menschen hier in Erlenbach - verrichtet. Sie haben für uns dort den Rosenkranz gebetet und Betrachtung gehalten. Gerne habe ich mit ihnen hin und wieder in der Kapelle die Heilige Messe gefeiert und anschließend mit ihnen gefrühstückt. Dort, in der Kapelle, wurde für uns gebetet, haben die Schwestern durch ihr Gebet den Boden für das Evangelium bei uns mitbereitet. Danke!
  2. Die Schwestern lebten in einer Gemeinschaft. Wenn ich recht weiß, waren es zeitweilig bis acht Schwestern, die eine Kommunität gebildet haben. Im Miteinander und im Füreinander wird Gemeinschaft, wird auch Kirche. Vielleicht ist es gut, dass wir uns dies heute mal bewusst machen, dass wir als Kirche und als Gemeinde nur im Miteinander und im Füreinander Frucht tragen können.
  3. Die Schwestern hatten ein Herz für die Menschen. Nicht nur in der Krankenpflege, sondern auch im Dienst an den Kindern des Kindergartens. Ein Herz für die Menschen: Wie viele Schüler und Schülerinnen, liebe Sr. Pietra, haben Sie wohl bei uns in Erlenbach unterrichtet? Und es waren nicht nur christliche, in manchen Hauswirtschaftsklassen waren manchmal nur muslimische Mädchen, denen Sie Lehrerin waren. Manches war wohl nicht immer einfach, wie auch Schüler und Lehrer nicht immer einfach sind. Aber ein offenes Herz kann verhärteten Boden aufreißen. Unsere Schwestern hatten ein Herz für die Menschen.
  4. Verantwortung wäre für mich ein weiteres Stichwort, das ich mit unseren Schwestern in Verbindung bringe: Ehrfurcht im Gottesdienst und in der Kirche, Ministranten zu einem würdigen Dienst anzuleiten, Kinder zu den Sakramenten zu führen, mit alten Menschen zu beten. In ihrer ureigenen Verantwortung als Schwestern des Erlösers und in der Treue zur Stifterin Alfons Maria Eppinger haben sie die „erlösende Liebe anderen weiter geschenkt“, so dass für so manchen hier bei uns in Erlenbach „Gottes Barmherzigkeit in Würde und Freiheit erfahrbar wurde“ (vgl. Sr. Juliane Friedrich CSR, in: Festschrift 2009). Das ist Verantwortung.
  5. Und ein letztes. Der Dienst unserer Schwestern hat ganz viel mit Gefühlen zu tun. Ich will hier persönlich werden: Als ich vor mehr als acht Jahren meinen Dienst als Pfarrer von Erlenbach angetreten habe, war Sr. Pietra noch sehr stark eingebunden in den Kommunion-, wie auch den Firmunterricht. Ich habe einige Male erlebt, wie sich Sr. Pietra  abmühen musste mit den Kindern und Jugendlichen, so dass ich irgendwann gesagt habe, dass sie sich das nicht mehr antun muss. Für sie war es wohl auch mit mir nicht einfach, weil ich manchmal ganz eigene Ideen bezüglich Kommunion- und Firmweg geäußert habe. Wir haben viel miteinander gesprochen, liebe Sr. Pietra und liebe Sr. Dagmar. Wie viele Gefühle - vielleicht kann man es auch „Herzblut“ nennen - haben Sie in die Vorbereitung auf die Erstkommunion oder auf die Firmung eingebracht! Und das ist nur ein Beispiel. Es gäbe noch viel mehr!

Hauskapelle, Gemeinschaft, das Herz, Verantwortung und Gefühle, dies bringe ich mit unseren Schwestern in Verbindung. All dies hat geholfen, den Boden zu bereiten, damit Gottes Wort auf fruchtbaren Grund fällt, keimen, wachsen und Früchte tragen kann.

Wir leben nicht im Kloster, wie es unsere Schwestern tun. Aber wir dürfen ebenso zu Säleuten werden, wir dürfen und sollen zum fruchtbaren Boden werden, in dem Gottes Wort Wurzeln schlagen und Früchte bringen kann.

  • Unsere Hauskapelle ist die Kapelle unseres Herzens. Dort wohnt Gott seit unserer Taufe. Dort begegnen wir ihm.
  • Die Gemeinschaft erleben wir mehr oder weniger intensiv in den Gruppen unserer Pfarreiengemeinschaft, oder auch ganz primär in unseren Familien.
  • Es geht in unserem Leben nichts ohne unser Herz. Wenn wir nicht das Herz am rechten Fleck - nämlich bei den Menschen - haben, wir arm wären wir dran.
  • Verantwortung übernehmen wir - jeder auf seine Weise. Ich bin froh und dankbar, dass sich z.B. schon einige Frauen gefunden haben, die den Küsterdienst in unserer Kirche als Nachfolgerinnen unserer Schwestern übernommen haben. Wir werden noch mehr Bereitwillige brauchen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, all das aufzufangen, was den Schwestern angelegen war.
  • Und das Ganze leben wir mit all den Gefühlen, die wir in unseren Herzen entdecken: Freude und Hoffnung, wie aber auch Trauer und Angst.

Vierfach ist das Ackerfeld, Mensch, wie ist dein Herz bestellt? Möge Gott uns allen schenken, fruchtbarer Boden für Gottes Wort, für das Werden seines Reiches zu sein. Möge er uns helfen, gute Säleute zu werden.

Ihnen, liebe Schwestern, für alles ein herzliches „Vergelt's Gott!“ und für die Zukunft Gottes reichen Segen!

Amen.

­