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Predigt am 2. Sonntag der Osterzeit

„Weißer Sonntag“

im Jahreskreis B

11. April 2021

Evangelium: Joh 20,19-31

Wer will's dem Thomas verdenken, dass er sich so schwer tut zu glauben? Es ist ja auch tatsächlich unglaublich, was ihm berichtet wird: Die anderen Jünger behaupten, sie haben Jesus gesehen, der doch gerade erst mal ein paar Tage zuvor so elend am Kreuz umgekommen ist. „Ich kann's nicht glauben, ehe ich ihn nicht berührt habe!“ Thomas ist skeptisch und ich kann es ihm nicht verübeln.

Mit seiner Skepsis ist er ein zeitloser Mensch. Zu allen Zeiten, so auch heute, ist für viele Menschen in vielen Dingen eine gewisse Skepsis angesagt. Wir sind ja im Großen und Ganzen so erzogen, dass wir uns auf Fakten beziehen, die wir nachprüfen und auf ihren Wahrheitsgehalt testen wollen. „Ich kann's nicht glauben, ehe ich mich selbst davon überzeugt habe.“ Das Wort ist uns nicht fremd.

Und dennoch: Jesus mahnt den Thomas, das zu glauben, was ihm seine Freunde berichtet haben. Im Grunde genommen mahnt er damit alle seine Jünger, an ihn zu glauben, an ihn, der lebendig vor ihnen steht. Er weiß ja, dass sich nicht nur Thomas schwer tut mit dem Glauben. So berichtet uns z.B. Matthäus, dass Jesu Jünger selbst dann noch zweifeln, als er sich von ihnen vor seiner Himmelfahrt verabschiedet  und ihnen den Auftrag gibt, in alle Welt zu gehen, die Menschen zu taufen und wie Jesus die Frohe Botschaft zu verkünden.

Wie dem auch sei: Thomas tut sich schwer, die Auferstehung zu glauben, und die anderen Jünger tun es ebenfalls. Und wir wahrscheinlich auch.

  • 2000 Jahre sind mittlerweile ins Land gegangen, seitdem Jesus auf Erden gelebt und verkündet hat.
  • Es sind dies zwei Jahrtausende, in denen sich Kirche immer wieder neu aufbaut und ihre Position in der Welt sucht.
  • 2000 Jahre, in denen die Kirche aus Menschen besteht, die aus dem Glauben leben und handeln.

Es sind 2000 Jahre, die gespickt sind vom Handeln gläubiger Menschen, aber auch von Zweifeln so vieler.

  • Und wer begegnet uns, um unseren Glauben zu stärken?
  • Wo und wie gibt uns Jesus einen Stupser: Sei nicht ungläubig, sondern gläubig?

Wir befinden uns derzeit in einer sehr angespannten Zeit. Corona hält allenthalben die Welt und uns in einem harten Griff. Wir können nicht leugnen, dass das auch mit der Kirche etwas macht:

  • Wir sind aufgefordert, Abstand zu halten.
  • Unsere Gottesdienste können wir nicht so feiern, wie wir es gewohnt sind. Damit meine ich etwa den Gesang, der doch auch das Herz zum Klingen bringt.
  • Den Weißen Sonntag mussten wir verlegen, weil uns die Situation zu unsicher war.

Und … und … und …

Wir stehen wirklich in einer angespannten, vielleicht auch anstrengenden Zeit der Welt und der Kirche.

Der tschechische Theologe Tomás Halík - er wurde unter der kommunistischen Herrschaft im Geheimen zum Priester geweiht - nennt die heutige Zeit eine „merkwürdige Zeit. Er hat in diesem Jahr ein Buch herausgegeben, das den Titel trägt: „Die Zeit der leeren Kirchen“ (Herder, Freiburg2021). Halik jammert nicht, er denkt nach.

Konkret schreibt er: „Ich kann mich von dem Gedanken nicht befreien, dass die leeren und geschlossenen Kirchen an diesem Osterfest - er sagt dies so vor einem Jahr, als wir keine Gottesdienste feiern durften - also dass die leeren und geschlossenen Kirchen ein prophetisches Warnzeichen darstellen: So könnte es bald mit der Kirche enden, falls sie nicht eine tiefe Verwandlung, einen Tod und eine Auferstehung durchläuft (…). Auch im Christentum muss etwas sterben, damit es in einer neuen, verwandelten Form auferstehen kann. Und diese neue Form wird bereits geboren, und wir können Zeugen dieser Geburt sein und aktiv teilnehmen.“

Mich fasziniert dieser Gedanke: Wir können Zeugen der Geburt einer neuen Kirche werden. Mehr noch: Nicht Totengräber, sondern Geburtshelfer einer neuen, besser: erneuerten Kirche können wir heute sein. Und wie bei jeder Geburt geht es darum, das Leben in Empfang zu nehmen, das sich da sehr mühselig aus dem Mutterleib hervormüht.

Und da bitte ich Sie, da nehme ich uns alle in die Verantwortung, dass wir nach dem Leben ausschauen:

  • Was trägt mich heute in meinem Glauben?
  • Was macht mir Mut zum Leben?
  • Was möchte ich an unsere Kinder weitergeben, dass sie Freude am Leben haben und Kraft aus dem Glauben ziehen?

Ausschauen nach dem Leben, Sehnsucht nach der Freude:

  • Lassen Sie uns dies gemeinsam suchen!
  • Lassen Sie uns kultivieren, was trägt und Kräfte freisetzt!
  • Lassen Sie uns so Geburtshelfer der erneuerten Kirche sein!

Mir scheint, dass dies das Gebot der Stunde ist - für unsere Kirche und für unsere Welt.

Ich hoffe nicht, dass Sie jetzt gleich den Skeptiker Thomas selbst spielen, etwa in dem Sinn: Das wird ja doch nichts! Oder: „Erst wenn ich sehe, dass sich etwas bewegt, dann mache ich auch mit!“ Nein, selbst Hand anlegen, dazu ermuntert Jesus den Thomas und jeden und jede von uns! „Streck deinen Finger und deine Hand aus! Sei nicht ungläubig, sondern gläubig! - Mach was aus deinem Glauben, daheim in der Familie, oder auch wo immer du etwas tun kannst!“

Ich füge von meiner Seite hinzu, was Jesus seinen Jüngern zum Abschied mitgegeben hat: „Ich bin bei euch an allen Tagen eures Lebens, bis ans Ende der Welt!“ (Mt 28,20) Die Verheißung gilt, mit dieser Verheißung leben wir. Und ich bin überzeugt, dass jede und jeder von uns mit Jesus Gutes hervorbringt.

So wird Zukunft, so wird erneuerte Kirche!

Amen. Halleluja!

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