Predigt am Sonntag der Heiligen Familie
im Jahreskreis C
30. Dezember 2018
Evangelium: Lk 2,41-52
Kann uns die Heilige Familie, wie sie uns im Neuen Testament vorgestellt wird, im 21. Jahrhundert tatsächlich noch ein Vorbild sein? Schließlich war die Zeit Jesu eine ganz andere.
- Allein wenn ich an die Mobilität der heutigen Menschen denke. Eine Urlaubsreise - mal schnell für eine Woche nach Fuerteventura, vor der Küste Afrikas, das ist doch heute in manchen Familien kein Thema mehr.
- Oder denken wir an die Globalisierung. Wieviele jungen Leute aus unseren Familien sind in allen möglichen Länder der Welt - beruflich oder freizeitmäßig - unterwegs?
- Oder erst die Digitalisierung. Es ist heute kein Problem mehr mit einem Familienmitglied in irgendeinem Land der Welt eine Videokonferenz durchzuführen. Man sieht sich, man hört sich, man freut sich.
Da kann uns der Blick auf Jesus, Maria und Josef im kleinen Nazareth doch wirklich nur provinziell und von vorvorgestern vorkommen. Soll diese Familie, die vor mehr als 2000 Jahren gelebt hat, uns heute noch etwas sagen können?
Und ob, so meine ich!
Bleiben wir nur allein beim heutigen Evangelium ein wenig stehen. Da geht es um den heranwachsenden Jesus. Treu, wie es wohl dem religiösen Brauch der kleinen Familie aus Nazareth entsprochen hat, sind sind Jesus, Maria und Josef zum Paschafest nach Jerusalem gepilgert. Jesus war mittlerweile 12 Jahre alt und er durfte dabei sein. Nur: Er ging dann seine eigene Wege. Während die Pilger sich auf den Heimweg machten, blieb er im Tempel und unterhielt sich mit den dortigen Lehrern. Diese waren sehr beeindruckt von diesem jungen Kerl.
Nur: Maria und Josef waren verständlicherweise sauer. „Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht.“ Wir können die Sorge Marias verstehen. Aber die Antwort Jesu wiederum, die muss für Maria und Josef wie ein Schlag vor den Kopf gewesen sein: „Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“
Das verstanden sie nicht. Doch Jesus vollzog nicht den Bruch mit seiner Familie, ging mit ihnen nach Nazareth zurück, „wuchs heran und fand Gefallen bei Gott und den Menschen“, wie es Lukas in seinem Evangelium ein wenig pathetisch ausdrückt. Alles war wieder gut. So hat es den Eindruck.
Viele Jahre später wird Jesus dann aber seine eigene Wege gehen, so dass ihn seine Verwandten oftmals nicht mehr verstehen. Markus erzählt, dass sie ihn sogar einmal mit Gewalt zurückholen wollen, weil sei meinten, er hätte seinen Verstand verloren.
Die Heilige Familie - ein Vorbild für unsere Familien? Ja! Ich will es mit zwei Aspekten darstellen. Es geht um Freiheit und um Treue.
- Zur Familie gehört Freiheit
Maria und Josef akzeptieren Jesus, auch wenn sie ihn nicht verstehen. Ich denke, das ist eine der Grundlagen in einer Familie, einander anzunehmen - ohne Wenn und Aber. Das hat etwas mit Freiheit zu tun.
Jede Familie ist das Übungsfeld für Freiheit. Das hat nichts mit Laissez-faire-Stil zu tun in dem Sinn: „Mach doch, was du willst!“ Nein, Freiheit, das hat etwas zu tun mit einer ganz bestimmten Art der Erziehung. Erziehung heißt dann, der Eigenart des anderen zu dienen. Erziehung will dem Kind seinen Weg öffnen. Erziehung hat ganz viel mit Freiheit zu tun. Keine Marionetten sollen in unseren Familien groß gezogen werden, wo meinetwegen der Patriarch oder die Matrone bestimmt, was gemacht wird. Familien dürfen und sollen der Hort der Freiheit sein, wo Kinder ihre eigenen Wege ausprobieren und dann auch gehen dürfen.
Das sehe ich in der Heiligen Familie vorgegeben. Maria und Josef schenken Jesus das Vertrauen, in Freiheit seinen Weg zu gehen.
- Zur Familie gehört Treue
Da denke ich zunächst einmal an den Heiligen Josef, der seine Braut Maria nicht verstoßen hat, als er entdeckte, dass sie ein Kind erwartete. Er hat ihr geglaubt, hat sie zu sich genommen und sie und ihr Kind beschützt, solange es ihm möglich war. Er ist ein wunderbares Beispiel von Treue, die sich zwei Partner einander schenken.
Mit der Begebenheit aber, die wir gerade im Evangelium gelesen haben, als Maria und Josef Jesus im Tempel finden, enden alle Erzählungen, in denen Josef vorkommt. Nur die apokryphen Evangelien wissen noch das eine oder andere von ihm zu berichten.
Nicht nur Lukas, auch die anderen Evangelisten berichten jedoch, dass Maria, die Mutter Jesu, ihrem Sohn treu zur Seite gestanden ist. Immer wieder finden wir sie in der Nähe Jesu:
- Damals bei der Hochzeit in Kana, wo sie ihren Sohn auf die Not der Brautleute hingewiesen hat. Darauf hin wirkte er sein erstes Zeichen.
- Wir sehen Maria inmitten der Menge, die Jesus zuhörte, als eine Frau ihr zurief: Selig bist du, dass du diesen Mann geboren und genährt hast.
- Und ein Drittes: Ihre bitterste Stunde. Maria stand unter dem Kreuz, dort hat sie mit den anderen Frauen und mit Johannes, dem Lieblingsjünger Jesu bei ihrem sterbenden Sohn ausgehalten.
In Treue ist sie bei ihrem Sohn.
Treue ist auch heute wohl eine der schönsten Erfahrungen in einer Familie. Ein Ehepaar, das in Treue zueinander steht, Eltern, die ihren Kindern treu bleiben, Kinder, die ihre Eltern nicht vergessen: All das erzählt von Treue. Und Treue ist eines der grundlegensten Güter, die menschliches Zusammenleben regeln und gelingen lassen. Diese entdecke ich in der Heiligen Familie.
Beides also, die Treue und die Freiheit zeichnen die Heilige Familie aus und lassen sie auch für uns im 21. Jahrhundert zum Vorbild werden. Feiern wir also dieses Fest, erinnern wir uns an die kleine Familie von Nazareth, die zusammen gehalten hat, die es aber auch ermöglicht hat, dass Jesus seinen Weg finden konnte. Sind wir dankbar für alles, was uns in unseren Familien geschenkt wird - an Freiheit und an Treue.
Und helfen wir mit in unseren Familien ein gutes Beispiel für die Menschen der heutigen Zeit zu geben. Wir brauchen uns zwar nicht „heilige“ Familien nennen lassen, wir wollen es schließlich nicht übertreiben. Wenn es aber gelingt, dass wir das eine oder andere gut hinbekommen, dann haben wir schon manches erreicht. Möge Gott uns dabei segnen, möge er unsere Schritte in unseren Familien lenken. Amen.