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Komm, lass uns zusammen ein Stück gehen. – Es sind nun bald schon 21 Jahre her, dass am 21. März des Jahres 1996 in Algerien sieben Mönche aus dem Trappistenkloster Tibhirine ermordet wurden. Offiziell gelten sie als Opfer eines bewaffneten Arms der „Groupe islamique armé“, einer bewaffneten islamischen Gruppe. Letztendlich wurden die genauen Umstände ihres Todes jedoch nie aufgeklärt.

Prior dieses Klosters war Christian de Chergé, gerade mal 59 Jahre alt, als er und seine Mitbrüder getötet wurden. Es ist bewegend, was Père Christian in seinen Tagebüchern niederschreibt. Er und seine Mitbrüder mussten damit rechnen, ermordet zu werden. Sie haben jedoch ihr Kloster nicht aufgegeben, denn sie wollten die Menschen aus dem Atlas-Gebirge in Algerien nicht alleine lassen.

Auch wenn die meisten ihrer Nachbarn Muslime waren, fühlten sie sich doch stark mit ihnen verbunden. Sie schätzten sich gegenseitig - gerade in ihrem Bemühen, ihren Glauben authentisch - entweder als Muslime oder als Christen zu leben.

Wie kam Christian de Chergé dazu, in einem Trappistenkloster in Algerien zu leben?

Als Offizier einer französischen administrativen Spezialeinheit hatte er von 1959 - 1961 den Algerienkrieg mitgemacht und die Nöte der Bevölkerung in den Steinwüsten des Landes kennengelernt. Dabei hatte er einen Menschen erlebt, der für ihn wie ein Johannes der Täufer, wie ein lebendiger Wegweiser war. Es war der algerische Feldhüter Muhammed, ein Moslem.

In der Biografie über Père Christian ist zu lesen:

Entscheidung für sein ganzes Leben wurde die Begegnung mit einem algerischen Feldhüter namens Muhammed, einem Familienvater, älter als er, ein einfacher Mann und tiefgläubiger Muslim. Zwischen den beiden entstand ein tiefes Band der Freundschaft. Christian hat erst sehr viel später davon gesprochen; bis zu seiner Ordensprofess hütete er wie ein Geheimnis, was für ihn zum Schlüsselerlebnis für seine mönchische Berufung in Algerien geworden war: Als es zu einem Gefecht kam, stellte sich Muhammed schützend vor Christian. Am nächsten Tag wurde er ermordet aufgefunden. Christian ging dieses tragische Geschehen zutiefst nach. (Er schreibt selbst dazu:)

„Durch das Blut dieses Freundes habe ich erkannt, dass ich meinen Ruf in die Nachfolge Christi früher oder später in dem Land verwirklichen sollte, wo mir der größte Liebesbeweis zuteil wurde.“ (Christian Salenson, Den Brunnen tiefer graben, S. 13)

Warum erzähle ich so lange und breit von diesem Ereignis?

  • Einmal: Vielleicht haben Sie ja selbst den viel beachteten Film über die Mönche von Tibhirie gesehen. Er lief unter dem Titel: „Von Menschen und Göttern.“ Das Leben von Christian de Chergé wird ihnen dann vertraut sein.
  • Zum anderen aber wird mir hier ein Mensch vor Augen gestellt, der Wegweiser und Wegbegleiter für den Mönch geworden ist - ohne es im Geringsten zu ahnen. Er wurde für den Trappistenmönch so eine Art Täufer Johannes.

Muhammed war kein Christ, hat aber Christian zu seiner Berufung geholfen, indem er das getan hat, was Jesus selbst getan hat. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,13) So sagt es Jesus im Abendmahlssaal. Dadurch, dass der algerische Feldhüter sich schützend vor seinen Freund gestellt und ihm somit das Leben gerettet hatte, hatte er sich den Hass verblendeter Nationalisten zugezogen und war selbst ermordet worden.

Durch Muhammed hat der Trappistenmönch Christian de Chergé seine Berufung entdeckt. Er war für ihn wie der Täufer geworden, der die Menschen auf Jesus hingewiesen hat.

Schauen wir auf Johannes den Täufer, was macht sein Leben aus? Er gibt Jesus den Beinamen „das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinweg nimmt“ und er bezeugt ihn als den Sohn Gottes. Damit unterstreicht er, dass Jesus eine überragende Bedeutung für die Menschen hat.

  • Er ist der, auf den sich die Menschen stützen können.
  • Die Sünden, die die Menschen von Gott trennen, werden von Jesus selbst getragen. Er versöhnt so die Menschen mit Gott.
  • Und Jesus macht deutlich: Gott ist Freund der Menschen, ganz besonders der Sünder. So lebt er es selbst vor in seinem Umgang mit Menschen, die von anderen als „Sünder“ abgestempelt werden.

Im Bild vom Lamm erinnert Johannes an den Auszug aus Ägypten. Lämmer sollten die Israeliten schlachten, ihr Blut an die Türpfosten streichen, dass Gott ihre Häuser verschont und sie so aus der Knechtschaft befreien kann. Diese Aufgabe übernimmt Jesus für die geknechtete Menschheit. Sein Blut vergießt er „zur Vergebung der Sünden“, zur Befreiung von allem Bösen.

Johannes der Täufer, Vorläufer Jesu, ist Wegweiser und Wegbegleiter hin zu Christus. Christian de Chergé hat in seinem Freund Muhammed einen solchen Menschen gefunden, einen, der ihn erahnen ließ, was Jesus für uns Menschen in seiner Lebenshingabe getan hat.

Gewiss haben wir auch Menschen, die uns Wegweiser und Wegbegleiter hin zu Christus geworden sind.

  • Denken wir an unsere Eltern, unsere Großeltern, die uns vielleicht zu beten gelehrt haben.
  • Denken wir an Pfarrer oder Kapläne, die uns den Glauben in einer sympathischen Weise nahe gebracht haben.
  • Denken wir an Ordensleute, Religionslehrer oder auch an Menschen, die uns authentisch das Christentum aufschlüsseln konnten.

Und sind nicht auch wir heute die Johannes-Menschen? Mit unserem Glauben und unserem Bemühen, ehrlich Christen zu sein trotz aller Schwächen oder auch Sünden, werden wir für unsere Kinder, Jugendlichen, aber auch für manche Erwachsene zu Wegweisern und Wegbegleitern.

Ich bin überzeugt, dass uns Gott dazu brauchen kann und dass er uns dazu beruft, Wegweiser, Wegbegleiter zu werden, wie es etwa der Moslem Muhammed für den Christen Christian war. Immer wieder begleiten wir Menschen ein Stück des Lebensweges. Wir dürfen dies sehr bewusst tun, dankbar in der Verantwortung, die uns Gott füreinander schenkt, aber auch im Bewusstsein, damit einen besonderen Auftrag zu haben.

Gebe Gott, dass es uns gelingt, Wegbegleiter, Wegweiser für andere auf dem Lebensweg zu werden.

Amen.

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