header

Komm, lass uns zusammen ein Stück gehen. – Der entscheidende Vers findet sich heute - nach meiner Meinung - in der Mitte des eben gelesenen Evangelienabschnittes: „Maria bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.“ Sie versteht nicht sofort, was geschieht, aber sie merkt, dass es zu wenig wäre, es nur mit dem Verstand aufarbeiten zu wollen.

Maria blickt mit aufmerksamen Herzen auf die Ereignisse und denkt darüber nach. Wäre das nicht auch eine Aufgabe für uns? Oft erschließen sich uns erst im Nachhinein die eigentlichen Zusammenhänge unseres Lebens. Nur: Leider besteht unter uns Menschen viel zu oft die Gefahr, dass wir lieber erst reden oder handeln, bevor wir nachdenken. Dadurch geschieht wirklich manches Unheil.

Wir können tatsächlich von Maria lernen: Nämlich unser Leben im Herzen vor Gott zu bedenken, unsere Welt mit seinen Augen zu betrachten versuchen. Ich bin überzeugt, dass wir dabei sicher über manche Dinge anders denken werden und wohl auch einen anderen Umgang mit Menschen an den Tag legen.

Ja, Maria bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.

Ganz sicher gehen wir auch ganz nachdenklich in das kommende Jahr:

  • Was liegt hinter uns, was hat das Jahr 2016 gebracht?
  • Was liegt vor uns, was wartet wohl auf uns im kommenden Jahr 2017?


Zunächst einmal wird im Rückblick auf das Jahr 2016 sicher in Erinnerung bleiben, dass uns der islamistische Terror in Deutschland sehr nahe gekommen ist. Was wir zumeist aus dem Fernsehen kannten, Terroranschläge in anderen Ländern, das geschah beinahe vor unserer Haustüre:

  • In Würzburg hat ein vom Islamischen Staat gesteuerter junger Mann in einem Regionalzug mit einer Axt auf Menschen eingeschlagen.
  • In Ansbach zündete ein 27-jährige syrischer Flüchtling eine Rucksackbombe, verletzte damit 15 Personen und kam selbst ums Leben.
  • Vor Weihnachten dann dieser fürchterliche Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt mit mehr als 12 Toten und zahlreichen Verletzten.

Das wird uns wohl für 2016 stark in Erinnerung bleiben: Terror und Gewalt in unserem Land, der unsägliche Krieg in Syrien, und viele andere Gräueltaten, die über die Augen in unsere Herzen vorgedrungen sind.

Für mich persönlich bleibt das vergangene Jahr in Erinnerung mit einem unübersehbaren Aufbruch von Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit, die leider viel zu wenig in die Öffentlichkeit der Medien gelangen.

Ich verweise auf die große Hilfsbereitschaft von Menschen in unserem Land, auch bei uns in Erlenbach, die sich etwa der vor dem Krieg geflohenen Flüchtlinge annehmen. Unser Land und seine Bewohner sind beileibe keine Chauvinisten, die es sich gut gehen lassen und sich nicht um andere kümmern. Ganz viel Liebe und Hilfsbereitschaft nehme ich wahr - Liebe und Hilfsbereitschaft, die die Schreier und Miesmacher der selbsternannten Retter des christlichen Abendlandes übertönen können.

Liebe und Hilfsbereitschaft. Da gibt es - wenn wir ehrlich sind - so vieles zu entdecken, für das wir dankbar sein dürfen.

Für mich wird vom vergangenen Jahr ein ganz besonderes Erlebnis in Erinnerung bleiben. Es war anlässlich der Wiedereröffnung der Alten Kirche St. Peter und Paul. Vielleicht erinnern Sie sich noch - wenn Sie damals am Festgottesdienst teilgenommen haben: Wir haben damals auf Kärtchen zusammengetragen, wie viele Gruppierungen es in unseren Gemeinden gibt. Ich meine, es wären mehr als 30 Kärtchen gewesen, die damals vor dem Altar standen.

Da war die Rede von der Kinderkirche, vom Krankenbesuchsdienst, von den Ministranten, vom Kirchenchor, vom Seniorenkreis, von vielen, vielen Menschen, die lebendige Kirche sind. Wenn wir ehrlich sind, haben wir allen Grund, dankbar zu sein. Dankbar für so viele Menschen, denen die Kirche angelegen ist, die für die Kirche, d.h. für Menschen, Zeit, Ideen und Kraft einsetzen.

Nicht dass wir uns jetzt stolz zurücklehnen wollten, um uns selbst zu beweihräuchern in dem Sinne, dass wir sagen würden: Mann, wie sind wir doch so gut! Aber: Wir haben keinen Grund, uns zu verkriechen und Trübsal zu blasen. Es gibt in unseren Gemeinden ganz viele Menschen, die mithelfen, dass Kirche lebt.

Andererseits müssen wir natürlich auch feststellen, wie sich Kirche in ihrer Außenwirkung, aber auch in unserer Innenwahrnehmung verändert.

Das, was Kirche vom Urchristentum her geprägt hat, dass die Christen am Sonntag zum „Herrenmahl“, wie es die Heilige Schrift nennt, zusammengekommen sind, das stellt sich heute ganz anders da. Rund 10 % der katholischen Christen feiern dieses Herrenmahl regelmäßig zusammen in unseren Kirchen. Das bedeutet, dass 90 % sich davon - warum auch immer - distanzieren.

Ich denke, es ist uns allen klar, dass wir mit der Kirche in einer Zeit großer Veränderungen stehen. Mit starkem Interesse habe ich im zurück liegenden Jahr ein Buch des österreichischen Pastoraltheologen Paul Zulehner gelesen. Es trägt den Titel: „Auslaufmodell - Wohin steuert Franziskus die Kirche?“ Zulehner schreibt dazu:

„Auslaufen, das kann bedeuten: Es geht zu Ende mit der Kirche im nachchristlichen Europa. … Papst Franziskus steht für eine andere Art von Auslaufen: Das Schiff der Kirche soll aus dem Hafen der Selbstbeschäftigung auslaufen und an die Ränder des Lebens und der Gesellschaft gehen, zu denen, die vom Leben verwundet sind. Moralisieren steht für ihn nicht auf der pastoralen Tagesordnung, sondern heilen.“

Mich spricht das ganz stark an, denn ich entdecke gerade in diesem Papst viele Impulse, die er uns, der Kirche von heute, auf die Fahrt zu den Menschen mitgibt, und zwar so sehr, dass es manchen Kardinälen schon schwindelig wird und sie fast „seekrank“ werden ob der Turbulenzen, in die Papst Franziskus die Kirche führt. Kirche ist keine beschauliche fromme Vereinigung, Kirche geht zu den Menschen, so will es Papst Franziskus, so lebt er es vor, so hat es Jesus uns aufgetragen, er, der als „Freund der Zöllner und Sünder“ (Mt 11,19) die Frommen seiner Zeit zur Verzweiflung gebracht hat.

Ja, Kirche ist ein Auslaufmodell in dem Sinne, dass wir auf dem Weg zu den Menschen sind. Wir hatten im vergangenen Jahr über unsere Kirchentüren geschrieben: „Das Türe steht weit offen, noch mehr aber das Herz.“ Wir tragen heute die Menschen im Herzen und laden sie ein.

„Komm, lass uns zusammen ein Stück gehen.“ Ganz konkret bedeutet das für mich, z.B. mit den Familien unserer Kommunionkinder ein Stück weit zu gehen. Auch wenn sich viele nach dem Weißen Sonntag wieder von unserem gemeinsam Weg verabschieden mögen: Wir sind ein Stück mit ihnen gegangen und haben unseren Glauben mit ihnen geteilt, ihnen mitgeteilt.

Oder denken Sie an unsere Brautpaare, die mit ganz viel Freude und Engagement ihre Hochzeit vorbereiten und feiern. Ich als Pfarrer, wir als Gemeinde dürfen ein Stück des Weges mit ihnen gehen. Wir laden nicht nur ein, eine schöne Hochzeit zu feiern, sondern den Eheweg, den Weg mit Jesus zu gehen.

So gibt es viele Beispiele, wie wir mit Menschen zusammen ein Stück gehen - in aller Freiheit, aber auch mit dem Mut und der Freude, unseren Glauben nicht zu verstecken.

So gehen wir in das neue Jahr. Wir gehen gemeinsam. Das Wegstück, das vor uns liegt, es soll unter dem Segen Gottes stehen. Ich höre ihn, wie er zu uns sagt: „Komm, lass uns dieses Stück zusammen gehen.“

Ganz gewiss lernen wir dabei von der Gottesmutter Maria, deren Fest die Kirche heute feiert. Sie ging ihren Weg mit Gott nicht unbedacht und planlos, sondern voller Achtsamkeit des Herzens und voller Vertrauen, dass er sie den rechten Weg führt. Bei der Verkündigung des Engels hat sie sich deshalb seine Magd genannt, die, die sich ganz von Gott abhängig macht - in Freiheit und Liebe, vor allem mit einem grenzenlosen Gottvertrauen.

Komm, lass uns also in diesem Jahr ein Stück zusammen gehen. Komm, lass uns gemeinsam Kirche sein - für die Menschen. So dürfen wir uns gegenseitig ermuntern.

Ihnen - uns - allen ein gesegnetes Neues Jahr 2017!

Amen.

­