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Ist das Schwarz-Weiß-Malerei, was wir eben im Evangelium gehört haben? Auf der einen Seite die Guten, der Gute Hirte, auf der anderen Seite die Schlechten, die bezahlten Knechte. Der Gute Hirte, so sagt Jesus, gibt sein Leben hin für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber lässt die Schafe im Stich, wenn er einen Wolf kommen sieht. Ihm liegt nichts an den Schafen, er lässt sich dafür bezahlen, dass er nach den Schafen schaut, während der Hirte fast eine persönliche Beziehung zu seinen Tieren hat. Seine Schafe kennen ihn und sie hören auf seine Stimme, so sagt es Jesus.

Ist das Schwarz-Weiß-Malerei?

Schauen Sie doch mit mir in das Johannes-Evangelium, das uns die Bildworte vom Hirten und von den Schafen überliefert. Sie sind niedergeschrieben im 10. Kapitel.

Eingebettet sind sie in Streitgeschichten mit den Pharisäern: Im 9. Kapitel wird überliefert, wie Jesus am Sabbat einen Blinden heilt. Das erbost die Frommen seiner Zeit. Wer den Sabbat nicht ehrt, der kann nicht von Gott sein, so sagen sie. Sie streiten untereinander und mit dem Geheilten, was von Jesus zu halten ist.

In diesem Zusammenhang überliefert Johannes die Bildworte vom Hirten und den Schafen. Auch darüber kommt es zu einer Spaltung unter den Juden, so dass einige Jesus unterstellen, er wäre von einem Dämon besessen.

Schließlich stellen die Juden Jesus im Tempel zur Rede und wollen wissen, ob er nun der Messias ist. Er beruft sich auf die Werke, die er im Namen Gottes vollbringt. Ja, er nennt Gott sogar seinen „Vater“. Die Reaktion der Juden: Sie heben Steine auf, um ihn zu steinigen. Es ist Gotteslästerung, was sie Jesus unterstellen.

Jesus, der Gute, die frommen Juden die Schlechten. Also doch Schwarz-Weiß-Malerei?

So könnte man polemisch denken. Es geht jedoch um etwas ganz anderes. Johannes deutet das Leben Jesu – und zwar mit dem Bildwort vom Guten Hirten.

Der Gute Hirte Jesus ist bereit, sein Leben zu geben, und hat es am Kreuz auch getan. Für ihn waren die kultischen Gesetze des jüdischen Volkes nicht vorrangig. Es ging ihm um den Menschen. Wie sagt er selbst an anderer Stelle im 10. Kapitel des Johannes-Evangeliums: „Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben“?

Ihm geht es um den Menschen. Da interessieren ihn Regeln und Gesetze erst an zweiter Stelle. „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.“ (Mk 2,27). Der Mensch ist es, der Jesus interessiert, sein Heil, sein irdisches und ewiges Leben. Das ist eindeutiger Standpunkt Jesu.

Da geht er auch keine Kompromisse ein, nennt die Armen selig, die Friedensstifter, die ein reines Herz haben. Da zeichnet er sogar selbst schwarz-weiß. Er will keine Halbheiten zulassen. „Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich, wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“ (Mt 12,30). Jesus auf der Seite der Menschen und auf der Seite Gottes. So will er sein, so ist er Guter Hirte.

Ich schaue auf Karl Borromäus. Karl wurde im Jahre 1538 als Sohn einer vermögenden, adligen Familie geboren. Sein Onkel war Papst Pius IV., der ihn in jungen Jahren zum Geheimsekretär ernannte. Er hätte es so einfach gehabt.Eine glänzende Karriere hätte ihm offen gestanden.

Ihm war es aber nicht darum, nach außen zu glänzen. Er wollte mithelfen, dass die Menschen in den Wirren der Reformation und Gegenreformation am Glauben festhielten. Doch nicht nur das!

Er war zwar ein glänzender Theologe und wurde mit 27 Jahren schon Erzbischof von Mailand. Unermüdlich, so wird von ihm berichtet, setzte er sich für die Glaubensunterweisung der Menschen ein. Ohne sich zu schonen und auf seine Gesundheit zu achten reiste er durch sein Bistum, gründete Heime und Krankenhäuser, Schulen und Priesterseminare und ordnete das kirchliche Leben. Er führte eine unentgeltliche Rechtshilfe für Bedürftige ein und bekämpfte den Wucher. Darüber hinaus nutzte er sein ganzes Familienvermögen zur Bekämpfung der Armut.

Als im Jahre 1576 – er war gerade mal 38 Jahre alt – in Mailand die Pest ausgebrochen ist, floh er nicht wie andere Würdenträger, sondern blieb in Mailand, um persönlich Hilfsmaßnahmen zu organisieren und hat dabei selbst tatkräftig mitgeholfen. (vgl. Magnifikat, Das Stundenbuch, November 2016, S. 52)

Zwar überstand Karl die Pest unversehrt, doch starb er nur wenige Jahre später völlig entkräftet im Alter von nur 46 Jahren.

Ohne Bedenken dürfen wir unseren Kirchenpatron einen „Guten Hirten“ nennen. Er hat sich nicht geschont, ist nicht geflohen, als die Situation bedrohlich wurde, ist bei den Menschen geblieben auf Kosten seiner eigenen Gesundheit und seiner körperlichen Kräfte.

Ich bewundere Karl Borromäus. Gerade in einer Zeit, in der auch in unserer deutschen Kirche große Veränderungen anstehen – auf Grund des Rückgangs von geistlichen und kirchlichen Berufen, und auf Grund der Entfremdung so vieler von unseren Gemeinden und der christlichen Lebenshaltungen.

  • Sie bekommen selbst mit, wie mancher Priester und Pfarrer sich aus dem Dienst verabschiedet, weil er mit den Veränderungen nicht mehr zurecht kommt.
  • Wir erleben hautnah und schmerzhaft, wie Kirche oft als Service – Unternehmen betrachtet wird, das für schöne und gefühlvolle Feiern wie Weißer Sonntag oder für die Hochzeit den entsprechenden Rahmen bieten soll.

Wie würde Karl Borromäus heute handeln? Ich meine, er würde den Menschen suchen.

Damit meine ich, dass er auf der einen Seite mithelfen würde, die Menschen zum Glauben zu führen, den Blick auf Jesus zu öffnen.
Und auf der anderen Seite, so meine ich, würde er mithelfen, dass die Menschen auch materiell leben könnten. Er wäre ganz gewiss auf der Seite der Armen unserer Tage – wie es z.B. Papst Franziskus lehrt und lebt.

Vielleicht mag auch das, was ich sage, für sie ein wenig Schwarz-Weiß-Malerei sein. Warum auch nicht!

  • Wenn es nur hilft, den Heiligen Karl Borromäus zu verstehen als einen Bischof, einen gläubigen Mann, dem es um die Menschen gegangen ist – in allen Phasen und Situationen ihres Lebens.
  • Und wenn es uns Mut macht, nach unseren Möglichkeiten den Menschen zu suchen, vielleicht selbst eine Art „Guter Hirte“ für die eigenen Kinder, die Eltern, Geschwister, Freunde, Verwandte, Fremde und Flüchtlinge, für Gesunde und Kranke zu werden.

Lassen wir uns von Karl Borromäus ermutigen. Er verweist uns auf Jesus, den Guten Hirten, der uns nahe sein will, der unser Heil will. Wir können das nur dankbar annehmen und es – in kleinen oder großen Taten – dankbar weitergeben.

Amen.

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