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„Die Welt ist voller guter Ideen. Lass sie wachsen.“ – „In den Massenmedien lernen wir heute alles darüber, wie Afrikaner sterben, aber nichts darüber, wie sie leben.“ So zitiert Monsignore Pirmin Spiegel, der Hauptgeschäftsführer von MISEREOR den schwedischen Krimiautor und Afrikakenner Henning Mankell.

Monsignore Spiegel* spricht davon, dass das Bild von Afrika häufig geprägt wird durch die „5 K“: Krisen, Kriege, Katastrophen, Krankheiten und Korruption. Manchmal könnte man meinen, man schaut in ein schwarzes Loch, denkt man an Afrika, ein Loch, in dem es keine Hoffnung gibt. Tatsächlich wird noch immer viel gehungert, gedürstet und gestorben in diesem an Möglichkeiten so reichen Kontinent. Es geht häufig noch schlicht um Leben und Tod.

Wie in der Geschichte von Lazarus. Nach vier Tagen liegt der Geruch des Todes in der Luft und Jesus wird konfrontiert mit Tränen und Vorwürfen. Andererseits finden sich da auch gegenseitiger Trost und bange Bekenntnisse.

Jesus selbst ist innerlich erregt. Er nimmt die Perspektive der Trauernden ein. Er schaut ins Grab. Dann winkt er nicht ab. Er sagt nicht: „ Nichts mehr zu machen.“ Er weiß sich vom Gott des Lebens erhört und ruft mit lauter Stimme: „Lazarus, komm heraus!“

Das ist der entscheidende Perspektivenwechsel: Nicht ins Grab schauen, sondern aus dem Grab herauskommen und dem Leben und seinen Möglichkeiten trauen.

Was Jesus getan hat, das geschieht unzählige Male in Afrika, wo Menschen einen Perspektivenwechsel vornehmen. Sie stieren nicht ins Dunkle, sondern sie rufen nach dem Leben. „Lazarus, komm heraus! - Mensch, schau auf das Leben und halte dich daran fest!“

Gerade MISEREOR und andere Hilfsorganisationen leisten dabei große und segensreiche Dienste. Zwei Beispiele:

Ich denke an Anne aus Deutschland, die viele Jahre im Tschad gearbeitet hat. Sie war zunächst als Gemeindereferentin in Pfarreien des Mayo-Kebi-Gebietes unterwegs. Später wechselte sie dann in die Stadt Bongor und baute dort ein Projekt zur AIDS-Prävention auf und zur Betreuung von AIDS-Kranken oder AIDS-Waisen.

Rosaline, eine Frau aus dem Stamm der Mussei war Annes treue Begleiterin. Zunächst als Dolmetscherin, später hat Rosaline selbst die Menschen in Hygiene unterrichtet und Beratung anbieten können.

Ich konnte erleben, wie stark Anne und Rosaline von Menschen gesucht worden sind. Manchmal kam es mir so vor, als wäre ich live dabei, wie sich die Leprakranken um Jesus scharen.

Mir wird dadurch deutlich: Menschen geben sich nicht mit dem dunklen Grab zufrieden. Sie wollen nicht ins Düstere starren, nicht in die Leere blicken. Sie haben Ideen und lassen sie wachsen.

Mein zweites Beispiel: Ich denke an meinen Mitbruder Alois, der seit bald 40 Jahren im Tschad und jetzt in Kamerun arbeitet. Für Pater Alois waren immer zwei Dinge in seiner Arbeit maßgebend: 1. Die Glaubensunterweisung und 2. die Entwicklungsarbeit.

Ich sehe vor mir das kleine Katechistendorf Diira, das er aufgebaut hat. Dort leben Katechisten zusammen mit ihren Familien für zwei oder drei Jahre und werden von Lehrern ausgebildet.

Unterrichtsstoff ist das Evangelium und eine dem Land und den Möglichkeiten angepasste Landwirtschaft. Wir würden es heute in unserer Sprache „Ökologische Landwirtschaft“ nennen. Nach ihrer Ausbildung gehen die Katechisten in ihre Dörfer zurück, halten Gottesdienste, lehren die Menschen den Glauben und helfen mit ihren Ideen, die Viehhaltung und den Ackerbau zu verbessern.

Auf dem Hintergrund dessen, was ich selbst erlebt habe, kann ich nur unterstreichen, was MISEREOR sagt: „Die Welt ist voller guter Ideen. Lass sie wachsen.“ Und es wachsen viele Ideen, so dass vor uns wirklich kein schwarzes Loch klafft und wir unsere Hoffnungen in der Tat nicht zu Grabe tragen müssen.

Hören wir noch einmal Henning Mankell: „In den Massenmedien lernen wir heute alles darüber, wie Afrikaner sterben, aber nichts darüber, wie sie leben.“

Da mag was dran sein. Doch MISEREOR lädt zu einem Perspektivenwechsel ein, zu einem neuen Blick auf Afrika und seine Menschen. Unterstützt vom großen Hilfsprojekt leisten viele Afrikaner Beachtliches, um das Leben der Familien, aber auch die Zukunft ihres Landes zu sichern. Mit Zähigkeit und Findigkeit suchen sich nach Lösungen für die vielfältigen Probleme des Alltags. Dabei sollten wir sie nicht alleine lassen.

„Komm heraus!“ Dieser Ruf Jesu gilt deshalb vor allem uns: „Komm heraus, bleibe nicht in den alten Vorurteilen und Bildern verhaftet, dass man in Afrika doch nichts mehr machen kann!“ Ich denke, wir sollten realistisch, geduldig, gelassen und zuversichtlich mit den Afrikanerinnen und Afrikanern neue Wege ins Leben suchen.

Vielleicht kann uns dabei auch unser Motto helfen, das uns schon das ganze Jahr über begleitet: „Komm, Bruder und Schwester in Afrika, lass uns zusammen ein Stück gehen, für eine bessere Welt, für das Leben.“ MISEREOR leitet uns dazu an. Ich bitte, die Kollekte großzügig zu unterstützen.

Amen.

*(vgl. Pirmin Spiegel in Liturgischen Hilfen zur Fastenaktion MISEREOR 2017)

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