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Sei Kundschafter, sei aufmerksam! – „Erst wägen, dann wagen – das gilt auch für das Wagnis, Jesus nachzufolgen.“ So sagt Bischof Franz Josef Bode zum heutigen Evangelium. Ja, Jesus fordert keine blinde Nachfolge. Er fordert auf, nachzudenken, nicht blind loszustürmen in einem grenzenlosen Enthusiasmus. Damit ist schon mancher auf die Nase gefallen.

„Jesus will freie Menschen, die selbst darüber befinden, ob sie der Herausforderung seines Weges gewachsen sind.“ (Franz Josef Bode, in: Magnifikat, Das Stundenbuch, September 2016, S. 47)

Ich finde das sehr bewegend. Jesus ist kein „Guru“, der mit „Gehirnwäsche“ seine Anhänger gefügig macht. Jesus sucht Menschen, die denken, die frei sind, die die Freiheit lieben. Jesus selbst ist der freie Mensch, der sich nicht verbiegen lässt und der auch niemanden knechten wird. Wer ihm folgt, der muss damit rechnen, dass es nicht leicht wird. - Jesus spricht vom Kreuztragen. Er spricht sogar davon, dass seine Nachfolger bereit sein sollen, auf ihren ganzen Besitz zu verzichten.

Das mag nachdenklich machen, manchen vielleicht sogar vor den Kopf stoßen. Die Realität aber zeigt, dass der, der Jesus gewählt hat, vieles wieder erhalten wird – in einer inneren Zufriedenheit, in einer Dankbarkeit des Herzens, die mit nichts zu bezahlen ist.

Ein Beispiel dafür mag Mutter Teresa von Kalkutta sein, die Papst Franziskus heute in Rom heilig sprechen wird. Mutter Teresea wurde am 26. August 1910 im heutigen Skopje in Mazedonien geboren. Im Alter von 18 Jahren schloss sie sich den Loreto-Schwestern an, die in Bengalen eine Niederlassung hatten. In Kalkutta legte sie ihre Profess ab und war dort siebzehn Jahre in der St. Mary's School tätig, zunächst als Lehrerin, dann als Direktorin.

Im September 1946 verspürte sie beim Anblick eines Kreuzes die Berufung, Jesus in den Armen zu dienen. Der Orden erlaubte ihr, die Klausur zu verlassen und in Kalkutta den Armen zu dienen. Im Lauf der Zeit schlossen sich ihr immer mehr frühere Schülerinnen an, so dass sie im Jahre 1950 die Gemeinschaft der „missionaries of charity“, die Missionarinnen der Liebe gründete. Bis zum heutigen Tag kümmert sich diese Gemeinschaft um Sterbende, Waisen, Obdachlose und Kranke. Sie selber erhielt für ihren aufopferungsvollen Dienst den Beinamen „Heilige der Gosse“. Wenige Tage nach dem Tod von Prinzessin Diana, den sie sehr bedauert hatte, starb Mutter Teresa am 5. September 1997.

Mutter Teresa war eine bescheidene, einfache Frau, die trotz ihres großen sozialen Engagements auch mit Glaubenszweifeln zu kämpfen hatte. Heute wird sie heilig gesprochen, die Kirche ehrt sie als moderne Frau, die Jesus auf ihre Weise exemplarisch nachgefolgt ist.

Ich habe den Eindruck, Mutter Teresa war eine Frau und Ordensschwester, auf die das heutige Evangelium passt. Sie wusste, auf was sie sich in den Slums von Kalkutta einlässt, und sie hat darin ganz gewiss viel Segen selbst erfahren und spenden können.

Heute noch bin ich stolz, dass ich zwei Begegnungen mit ihr hatte.

Die erste war im Jahre 1978 beim damaligen Katholikentag in Freiburg. Ich begegnete Mutter Teresa im so genannten Geistlichen Zentrum des Katholikentages. Unvermittelt stand sie einmal neben mir und ich erlebte, wie lebendig sie erzählte und welch ungeheure Ausstrahlungskraft von ihr ausging.

Das Freiburger Münster war damals bis auf den letzten Platz besetzt. Wir saßen auf dem Boden, als sie von ihrer Arbeit in Kalkutta erzählte. Ein Satz hat sich mir damals eingeprägt und sicher nicht nur mir. Sie sagte: „Habt keine Angst zu lieben, bis es wehtut. Es ist die Weise, wie Jesus geliebt hat.“

An diese Begegnung mit Mutter Teresa erinnere ich mich sehr gut.

Und eine zweite Begegnung. Das war jedoch nur eine mittelbare, nämlich durch Briefkontakt. Ich unterrichtete als Kaplan im Schuljahr 1982/1983 eine 6. Klasse in der Hauptschule von Ochsenfurt. Im Unterricht hatten wir von der Arbeit Mutter Teresas gesprochen und ich hatte – wie man es damals noch getan hat – Dias von ihr gezeigt. Meine Schülerinnen und Schüler waren Feuer und Flamme, Mutter Teresa mit einem Geldbetrag zu unterstützen. Wir haben einiges gesammelt und ihr – auf Englisch - einen persönlichen Brief geschrieben: An Mutter Teresa, Missionaries of Charity, Kalkutta. Der Brief kam an.

Ein Vierteljahr später bekamen wir Antwort. Die Schwestern von Mutter Teresa, die in Essen eine Niederlassung haben, schrieben uns:

„Sehr geehrter Herr Kaplan Kraft. In diesen Tagen erhielten wir von Mutter Teresa mit einer Sammelsendung von Briefen auch den Ihrigen vom Januar 1983 zugeschickt. Mutter Teresa bittet mich, Ihnen die Sachlage wegen der Spenden zu erklären.“ … Dann erklärt Sr. Maria Anand, die den Brief geschrieben hatte, dass Mutter Teresa es weiter sehr gern hat, wenn wir mithelfen, den armen Kindern zu helfen. Sie würde im Juni '83 wieder in Essen erwartet und könnte dann die Spenden von dort aus mitnehmen. Zum Schluss des Briefes heißt es: „Bitte, grüßen Sie alle Schülerinnen und Schüler, die in dem schönen Brief in Englisch an Mutter Teresa unterzeichnet haben, herzlich auch von uns. Gott segne sie alle!“

Sie können sich vorstellen, wie sich die Schülerinnen und Schüler über diese Antwort gefreut haben. Sie war zwar nicht von Mutter Teresa selber, aber sie hatte zumindest unseren Brief erhalten, gelesen und ihn weiter gegeben.

So hatte ich persönlich zwei Begegnungen mit ihr, der Frau, die heute in Rom feierlich zur Heiligen erklärt wird.

Wie gesagt: Ich habe den Eindruck, Mutter Teresa war eine Frau und Ordensschwester, auf die das heutige Evangelium passt. Sie wusste, auf was sie sich in den Slums von Kalkutta einlässt, und sie hat darin ganz gewiss viel Segen selbst erfahren und spenden können.

Bitten wir Gott, dass wir auf unsere Art und Weise, an den Platz, an den Gott uns gestellt hat, selbst Segen erfahren und weitergeben können. So können wir Jesus nachfolgen, nicht blindlings, sondern mutig. Das Wort von Bischof Bode mag uns dazu begleiten: „Erst wägen, dann“ aber auch „wagen!“

Amen.

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