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Über eine Notiz in der Zeitung bin ich heute morgen gestolpert. Auf den Sportseiten war zu lesen: „Der Blinde hört endlich auf.“ Entnommen ist es dem Abschiedsbrief des ehemaligen Fußballprofis Kevin Kuranyi. Diesen hat er auf seiner eigenen Homepage im Internet veröffentlicht und wendet sich damit an seine Fans und Kritiker.

Genauer heißt es:

„Ich habe eine Nachricht für euch. Nun gut, ich gebe zu, es gibt überraschendere Neuigkeiten. Aber jetzt ist es definitiv raus: Der Blinde hört endlich auf.“

Ich finde, darin steckt ganz viel Zynismus und Wehmut. Was hat wohl Kevin Kuranyi alles an Kritik sich anhören müssen, dem mit seinem Talent im Letzten der Durchbruch nie richtig gelungen war. „Der Blinde hört endlich auf.“

Schauen wir auf das heutige Evangelium:

Da geht es auch um einen Blinden. Er kauert am Straßenrand als Jesus vorbei kommt. Was hat er wohl alles ertragen müssen an Spott und Häme? Die Leute haben in ihrer Gefühlslosigkeit diskutiert, wer den nun Schuld trägt an seiner Misere: Haben seine Eltern gesündigt, oder war er es, so dass er von Gott mit Blindheit gestraft worden war?

Grausam! Welches Gottesbild kommt denn da zum Vorschein. Sollte Gott einer sein, der den Menschen quälen will, ihn strafen will, weil er sündigt, oder weil vielleicht sogar seine Eltern gegen Gottes Gebote verstoßen hatten? Da spielt Jesus nicht mit. Er heilt den Mann und schickt ihn zum Teich Schiloach. Einen symbolträchtigen Namen trägt dieser Teich in der Mitte von Jerusalem: Schiloach bedeutet: Der Gesandte.

Christus ist der Gesandte Gottes. Durch ihn findet der Blinde sein Augenlicht. Johannes überliefert uns diese Geschichte in seinem Evangelium und setzt ein großes Ausrufezeichen: Geh zu Christus und du wirst sehend werden!

  • Geh zu Christus und du siehst Gott mit neuen Augen!
  • Geh zu Christus und du siehst die Welt und die Menschen in einem anderen Licht!
  • Geh zu Christus und du siehst auch dich selbst in einer neuen Weise!

Wie sollen wir denn Gott sehen?

Ganz sicher nicht als den kleinlichen Buchhalter-Gott, der die Sünden der Menschen zusammenzählt und entsprechend der Anzahl sie dann bestraft. Jesus nennt Gott seinen „abba“, seinen Papa, seinen lieben Vater. Ich glaube, da können wir alle - ich betone es: Wir alle! - noch viel von Jesus lernen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir den Buchhalter eher vor Augen haben als den barmherzigen Vater, den abba Jesu.

Geh zu Christus und du siehst Gott mit neuen Augen! Tun wir dies!

Du siehst aber auch die Welt und die Menschen in einem anderen Licht: Gott hat die Schöpfung und die Menschen gut gemacht, so sagt es die Heilige Schrift. Die Sorge um die Schöpfung und um die Menschen ist uns von Gott aufgegeben. Und was machen wir daraus?

Wir Menschen führen Kriege, die Reichen unterdrücken die Armen, die Schöpfung wird zur Beute der Skrupellosen. Menschen, Tiere, Pflanzen sind Werke Gottes. Luft, Wasser, Erde und Sonne brauchen wir zum Leben, sind uns gegeben. In der Verantwortung vor Gott gilt es damit umzugehen. Geh zu Christus, der Mensch geworden ist und du selbst gehst menschlich um mit deinem Nächsten, aber auch mit der Schöpfung, mit Mensch und Tier!

Ja, und geh zu Christus und du siehst auch dich in einer neuen Weise, nämlich als seinen Bruder, als seine Schwester. Du siehst dich als geliebtes Kind Gottes, nicht als Knecht oder sogar als Sklave Gottes. Du bist nicht Spielball zu seiner Belustigung. Du bist wertvoll und wichtig, Augapfel Gottes (Dtn 32,10), wie der Mensch im Alten Testament immer wieder genannt wird.

Geh zu Christus und sehe dich, nimm dich an als geliebtes Kind Gottes! Sieh dich so in einer - vielleicht auch für dich - neuen Weise!

Der Mann aus dem Evangelium wird geheilt. Er wird sehend in der Begegnung mit Jesus Christus. Das Evangelium ist aber nicht nur eine Erinnerung an ein mächtiges Zeichen Jesu. Es ist Gegenwart, es ist unsere Geschichte. In der Taufe sind wir gewaschen worden im geistlichen Teich Schiloach, im Gesandten Christus. Wir sind sehend geworden, dürfen Gott, die Schöpfung und den Menschen, ja uns selbst mit neuen Augen sehen.

Ein wunderbares Evangelium! Möge er uns immer wieder die Augen öffnen, wenn wir in Gefahr sind, blind zu werden  für seine Liebe zu uns Menschen.

Geh hin zu Christus und geh mit ihm Stück für Stück in deinem Leben und du wirst sehend!

Über unserem Leben soll am Ende nicht stehen: Ein Blinder ist er geblieben. Nein, am Ende unseres Leben soll stehen: Mit offenen Augen und einem frohen Herzen hat er oder sie Gott, die Schöpfung und den Menschen, ja sich selbst gesehen.

Amen.

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