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Was bedeutet es heute, Kirche zu sein? Ich erlebe unsere gegenwärtige Zeit als sehr anstrengend. Gibt es nicht viel Unsicherheit in der Welt?
  • Ich schaue nach Amerika. Dort wurde ein Präsident gewählt, von dem man nicht weiß, was man von ihm zu halten hat.
  • Ich schaue in unser Land. Immer noch sind viele geteilter Meinung, wie man mit den Flüchtlingen, aber auch mit den Muslimen umzugehen hat.
  • Ich schaue in die Kirche. So wie es aussieht, stehen große strukturelle Veränderungen in unserer Diözese an, bei denen man gar nicht absehen kann, wie alles werden wird. Die Diskussionen sind groß, auch z.B. über die Zugangsbestimmungen zum priesterlichen Dienst. Ist dafür etwa die Ehelosigkeit notwendig?  So fragen sich viele. Dazu hat ja gestern das Main-Echo ein großes Interview mit dem aus Elsenfeld stammenden ehemaligen Pfarrer Norbert Becker abgedruckt, der wegen des Zölibates seinen Dienst als Priester aufgegeben hat.

Das alles sind Fragen, mit denen wir, ja auch wir alle, uns auseinandersetzen müssen, wollen wir heute Kirche - glaubwürdige Kirche - sein. Was bedeutet es heute, Kirche zu sein?

Ich will keine Rezepte verkünden, will vielmehr versuchen, im Blick auf das eben gehörte Evangelium meine Gedanken zu ordnen.

Wir haben dabei einen Abschnitt aus der so genannten „Endzeitrede“ Jesu gehört, wie sie uns Lukas im 21. Kapitel seines Evangeliums überliefert.

Darin ist die Rede von Kriegen und Unruhen. Es wird gesprochen von Verführern, die im Namen Jesu auftreten und die Leute in die Irre führen. Von Verfolgung und Gerichtsprozessen ist die Rede, ja sogar von Auseinandersetzungen, die Familien spalten.

Jesus weiß, dass sich an ihm die Geister scheiden, und doch macht er Mut: „Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.“

Er greift dabei zurück auf eine Weissagung aus dem Buch Jesaia. Damals - im 8. Jahrhundert vor Christus - gab es dramatische politische Verwicklungen. König Ahas versuchte, Bündnisse mit den Königen anderer Völker zu schmieden, um sich und sein Volk abzusichern. Dabei hat er dem ursprünglichen Bund Gottes mit seinem Volk keine Bedeutung beigemessen. Jesaia macht dem König Vorwürfe und verweist darauf, dass der Immanuel kommen wird, der das Herz seines Volkes wieder Gott zuwenden wird. „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht.“ Ist seine Mahnung an Ahas, wie an das ganze Volk Israel.

Ich denke, wir können daraus ganz viel lernen für unsere heutige Zeit: Nämlich mit Gott rechnen, ihn als Wegbegleiter unseres Lebens ernst nehmen. Wie heißt es noch in der Endzeitrede Jesu? „Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.“

Für mich heißt das: Sich nach Jesus umschauen, ihn fragen: Was würdest du an meiner Stelle tun?, ihn nachahmen.  Das ist Kirche, das macht Kirche heute aus.

Dabei sind wir keine Einzelkämpfer, nein!, Kirche ist immer Gemeinschaft, Gemeinde, Menschen, die miteinander unterwegs sind: In der Familie, in der gemeinsamen Feier der Gottesdienste, aber auch in der Sorge für den Nächsten und für die Menschen - nah oder fern -, für die wir Verantwortung tragen und übernehmen können.

Ich gehe ein Stück mit dir + ich teile mit dir. So beschreibt der emeritierte Bischof von Erfurt Joachim Wanke Werke der Barmherzigkeit. Er will damit sagen, dass Barmherzigkeit darin besteht, die Menschen zu sehen, mit ihnen ein Stück des Weges zu gehen, sie nicht alleine zu lassen und dann mit ihnen Freude und Leid zu teilen.

„Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts!“ So schroff hat es einmal der frühere Bischof von Evreux Jacques Gaillot formuliert. Wir können den Satz auch anders formulieren:

  • Eine Kirche, die nicht mit den Menschen geht, geht nicht.
  • Eine Kirche, die nicht mit anderen teilt, teilt sich nicht mit.

Ja, was bedeutet es, heute Kirche zu sein? Wir übernehmen den Auftrag Jesu, barmherzig zu sein, Menschen - zumindest stückweise - zu begleiten und mit ihnen das Leben zu teilen.

Amen.

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