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Sei Kundschafter, sei aufmerksam! – Wer sind denn die 144.000, von denen wir gerade in der Lesung aus der Offenbarung des Johannes gehört haben? Wer sind die, die weiße Gewänder tragen? So wird dort selbst gefragt.

Zunächst einmal liegt die Offenbarung des Johannes, manchmal auch „Geheime Offenbarung“ vor uns wie ein „Buch mit sieben Siegeln“. Es ist das einzige apokalyptische Werk des Neuen Testamentes. Sie ist oftmals missverstanden worden als ein Text, der über die Zukunft Auskunft geben und die Schrecken kommender Ereignisse zeichnen will.

Dabei wird verkannt, dass die Apokalyptik auf die jeweilige Gegenwart bezogen ist und eine Widerstandsliteratur in einer bedrängenden Zeit ist. Diese so genannten „Krisentexte“ formulieren in bildhafter Form die Bedrohung, unter der die Menschen leiden.

So war es auch in der Zeit, als die Offenbarung des Johannes entstanden ist: In den Regierungsjahren des Kaisers Domitian befanden sich die Christen in einer sehr schweren Situation.

  • Wie sollte die kleine Gruppe der Christen mit dem Misstrauen und der Aggression der sie umgebenden Gesellschaft umgehen?
  • Wie mussten sie sich gegenüber dem staatlich verordneten Kaiserkult verhalten? Den Kaiser als Gott zu verehren, war für sie reinste Gotteslästerung.
  • Durfte man sich konform verhalten oder musste man Widerstand leisten?
  • Was konnte ertragen werden, ohne den eigenen Glauben zu verraten?
  • Wo musste Einspruch im Namen Gottes und des Menschen erhoben werden, selbst wenn das für den Protestierer tödlich enden konnte?

Viele Fragen, mit denen sich die ersten Christen auseinander setzen mussten. Fragen, bei denen sie sich unsicher fühlten, oder auch verzweifeln konnten. Die Offenbarung des Johannes, Glaubensüberzeugung des „Sehers von Patmos“, der sie niedergeschrieben hat, entwirft daher ein Bild von der Alleinherrschaft Gottes, zeichnet sozusagen eine „Gegenwelt“.

Vorbehaltlos wird umgesetzt, dass durch den Tod und die Auferstehung Jesu bereits die Wende zur Heilszeit erfolgt ist. Die alte Welt des Hasses und der Vergötzung von Menschen wird untergehen und Gottes Erscheinen wird eine neue Zeit anbrechen lassen. Mitten in allen Ängsten und Bedrohungen erweist sich Gott als der, der rettet.

Weltliche Reiche, so dämonisch und grausam sie sein können, haben nicht das letzte Wort. Gott selbst kennzeichnet die Gläubigen als sein Eigentum und entzieht sie damit aller Vernichtung.

Johannes zeichnet visionsartig eine große Schar „aus allen Nationen, Stämmen, Völkern und Sprachen“, die vor Gottes Thron steht. Dieses internationale Volk ist gekennzeichnet durch das „weiße Kleid“, das auf die Taufe hinweist, durch die die Gemeinschaft mit Christus geschenkt ist. Freude und Jubel, Lobpreis und Anbetung prägen die Stimmung.

Es ist ein großartiges Bild für unser Beheimatet-Sein in einer weltweiten Heilsgemeinschaft. Zugleich ist es aber auch eine herausfordernde Botschaft, die uns lehrt, Gottes Schutz zu trauen, was immer auch geschieht.

Wer sind also diese 144.000, von denen wir gehört haben? Zwölfmal Zwölftausend: Männer und Frauen, Große und Kleine, vollendete Fülle. Sie sind treu gewesen, haben vertraut, haben das Leben gewagt. Es sind Menschen wie wir, wie Sie und ich. Sie haben ihr Leben gewagt – mit Christus gewagt – und sind gerettet worden.

Auch wir können zu diesen 144.000 gehören. Im Bild heißt es, sie haben sich reingewaschen im Blut des Lammes, im Blut Christi. Es will nichts anderes sagen, als dass die Gemeinschaft mit ihm – wir suchen sie z.B. jetzt in der Eucharistie – die Christen rettet, auch uns rettet und zum Leben führt.

Allerheiligen. Ein gutes Fest, das Fest, das zum Leben einlädt, zum täglichen Leben mit Christus.

Amen.

(vgl. Laacher Messbuch 2016, S. 877f)

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