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„Auge für Auge, Zahn für Zahn“, dieses alttestamentliche Gesetz war ein Versuch, vonseiten der Rechtsprechung den Strom der Gewalt einzudämmen, der dem rachedurstigen Herzen eines Menschen entspringt.

Denn Rachegefühle sind ja nicht auf Vergeltung mit Gleichem aus, sondern auf vervielfachte Heimzahlung des erlittenen Unrechts.

Das Wort, das spontan dem verletzten Herzen entsteigt, heißt doch „doppelt und dreifach“: „Ich werd's ihm doppelt und dreifach heimzahlen!“ Rachegefühle sind im Letzten unersättlich. Das alte Recht, auf das Jesus Bezug nimmt, versuchte, diese unbezähmbaren Gefühle einzudämmen, indem es zugestand, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, also: „Auge für Auge, Zahn für Zahn.“ - Nicht mehr, aber auch nicht weniger! (vgl. Magnifikat, Februar 2017, S. 214)

Nur: Jesus schiebt auch diesem Ansinnen einen Riegel vor. „Ich aber sage euch, leistet dem, der euch Böses tut, keinen Widerstand.“ Und er legt nach: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen!“ Seine Worte gipfeln dann in der Forderung: „Seid vollkommen, wie es auch euer himmlischer Vater ist.“

Können wir nun also einpacken, unser Gesangbuch oder die Bibel zuschlagen, müssen wir vielleicht eher sagen: „Herr, das ist ja alles gut und schön, was du sagst, aber: Ich schaffe das nicht“?

Nun, worum geht es denn?

Ganz sicher nicht, dass Jesus Übermenschliches von uns erwartet. Nicht umsonst erklärt er sich zum Freund der Sünder. Um bei Jesus anzukommen, muss ich nicht der ganz Reine, der Sündenfreie, der Perfekte sein. Nur will er aber auch nicht, dass wir uns im Leben einen schönen Lenz machen, uns nicht um Gerechtigkeit und Liebe bemühen würden. Von daher kann er sehr spitz und provokativ formulieren. Gut so! Da wacht man wenigstens auf!

Also, was will Jesus?

Ich will es in dem Wort aufgreifen, das uns schon am letzten Sonntag im Evangelium begegnet ist, dem Wort von der „Gerechtigkeit“, für das ich auch ein anderes Wort setze, das Wort von der „Reinheit des Herzens“. Mir scheint, dass es darum geht, mit ganzem Herzen dabei zu sein, den Geboten Gottes - so gut es in unserem Leben möglich ist - zu entsprechen versuchen.

Deshalb hören wir von Jesus immer wieder: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist. - Ich aber sage euch.“ Im Grunde bringt er ja nichts Neues, er geht nur in die Tiefe. Die Liebe zum Nächsten wird ausgeweitet zur Feindesliebe. Den Bitten um Hilfe soll entsprochen werden, indem das Doppelte und Dreifache gegeben wird.

Es geht um die Richtung: Bin ich ein kleinkarierter Mensch, der gerade noch das Notwendigste tut oder bin ich bereit, mich nach Kräften einzusetzen, so zu helfen, wie es mir eben möglich ist?

Kleingeister und Kleinkrämer haben bei Jesus nichts verloren. Ein weites Herz kann sogar ein kleines Kind haben, das mit seinen Geschwistern spielt oder der Mama beim Tischabräumen hilft.

  • Warum sollten dann Erwachsene nicht ihrer Fantasie freien Lauf geben?
  • Warum sollten wir dann nicht nach unseren Möglichkeiten das Gute zu tun versuchen?

Wie gesagt: Kleingeister und Kleinkrämer haben bei Jesus nichts verloren.

Jeder Mensch hat Talente. Der eine hat mehr, der andere weniger. Ganz egal! Die Talente sind uns von Gott jedoch anvertraut, dass wir sie nutzen und etwas Gutes daraus machen. Bei dem einen kommt dabei mehr heraus, bei dem anderen weniger. Einzig wichtig ist, dass wir versuchen, etwas aus unseren Talenten zu machen.

Lass uns zusammen ein Stück gehen, so dürfen wir einander Mut zusprechen. Jeder und jede von uns ist hineingerufen in diese wunderbare Weggemeinschaft mit Jesus und mit den Gliedern seiner Gemeinde. Und ich bin überzeugt: Wir werden dankbar staunen, was alles möglich ist, wenn wir es nur versuchen.

Möge Gott dazu unser Tun segnen!

Amen.

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