Predigt am Neujahrstag

1. Januar 2021

Evangelium: Lk 2,16-21

Nachdenklich, so kommt mir die Gottesmutter Maria im heutigen Evangelium vor. Da musste sie ihren Sohn in einem Stall zur Welt bringen und dann kommen Hirten und erzählen begeistert von dem, was ihnen über das Kind gesagt worden war. Und Maria?

„Sie bewahrte alle Worte und erwog sie in ihrem Herzen.“ So schreibt es Lukas.

Es ist doch wirklich kein Wunder, dass Maria nachdenklich ist:

  • Da war erst die Verkündigung durch den Engel, der ihr gesagt hatte, dass sie den Sohn des Höchsten zur Welt bringen soll (Lk 1,31f). Doch im Stall - der Sohn des Höchsten?
  • Dazu Hirten, die Leute hatten diese früher als Gesindel bezeichnet, die Gott rühmen und ihn preisen für all das, was sie da im kleinen Stall erlebt haben.

Das muss man erst mal verkraften, darüber muss Maria nachdenken.

Doch in diesem Stall, ganz unten, beginnt die Geschichte Gottes mit den Menschen neu: Gott wird Mensch, er begibt sich hinein in die Geschichte der Menschheit und verbindet sich aufs Engste mit den Menschen. Maria darf dafür Werkzeug sein und sie bewahrt es in ihrem Herzen.

Nachdenklich bin ich auch heute an diesem Neujahrstag. Was liegt da für ein Jahr hinter uns! Unglaublich, unvorstellbar!

Wer hätte sich am Beginn des vergangenen Jahres gedacht, dass wir in einen Lock-Down gehen, dass vieles geschlossen ist, Geschäfte, Schulen, Wirtschaften, Theater und Kinos geschlossen werden! Auch Gottesdienste mussten abgesagt werden: Ostern am Fernseher - oder für mich in meinem Hausheiligtum = meiner Gebetsecke - zusammen mit meiner Schwester und unserem Hund. Der Weiße Sonntag im September und … und … und. Nur ein paar Beispiele.

Dazu Kontaktbeschränkungen, schmerzlich gerade jetzt an den Weihnachtsfeiertagen! Wer wird da nicht nachdenklich, wer versucht da nicht seine Gedanken zu ordnen? Wenn jemand nicht notorischer Corona-Leugner ist, Kreuz- und Querdenker, der muss einfach still werden und zu lauschen versuchen.

  • Was haben wir erlebt, was erleben wir im Augenblick?
  • Was macht das alles mit mir, mit meiner Familie, mit der Kirche und der Gesellschaft?
  • Wo und wie verändern wir uns?

Lassen Sie mich auf das vergangene Weihnachtsfest schauen! Ohne unsere schönen, gewohnten Weihnachtslieder in der Kirche, „Stille Nacht, Heilige Nacht“  - wenn überhaupt - dann im Pianissimo gesungen. Große Feiern im Kreis der Familien wurden allein durch die Ausgangsbeschränkungen auf ein kleines Maß zurück gefahren.

Aber vielleicht waren wir durch all das, was wir erlebt haben, dem echten Weihnachtsgeschehen, dem Stall von Bethlehem, viel näher als wir es sonst waren. Vielleicht lernen wir umdenken:

  • Gott ist nicht in einem großen Palast mit Festbeleuchtung zur Welt gekommen. Kerzen, Weihrauch, Orgel, kostbare Gewänder - all das war im Stall von Bethlehem nicht zu finden.
  • Gott hat die Armut ausgewählt, wollte bei den einfachen Menschen sein, wollte Kind werden und Kind sein.

Es wird gut sein, darüber nachzudenken. Und es wird hilfreich sein, auf die Armen der heutigen Zeit zu schauen: Die Armen in unserer Stadt und in der Welt.

  • Ich sehe heute Morgen vor meinem inneren Augen die Menschen im Krankenhaus und in unserem Seniorenwohnstift, die mit dem Coronavirus zu kämpfen zu haben, die leiden.
  • Ich sehe die Pflegerinnen und Pfleger, die Krankenschwestern und Ärzte, die mit ihren Kräften am Ende sind, und die so so gut wie möglich den Kranken beistehen.
  • Ich sehe die Angehörigen, die Tote zu beklagen haben.
  • Ich sehe darüber hinaus Menschen, die an den Grenzen Europas schmachten, frieren oder sogar ums Leben kommen.
  • Ich sehe viele Arme in unserer Stadt und in der ganzen Welt.

Für sie ist Gott Mensch geworden. Für sie sind wir Menschen, so gut wir es eben sein können. Von daher können wir nur von Maria lernen: Nachdenken und handeln, das tun, was wir als richtig erkannt haben und was wir dann auch tun können.

Josef Cardijn, der Begründer der Christlichen Arbeiterjugend CAJ nennt es so: Sehen - urteilen - handeln!

Wir können und müssen nicht die ganze Welt retten. Wir stehen alle an unserem ganz persönlichen Platz. Aber wir können …

  • …. Sehen, was vor sich geht ist.
  • Uns darüber Gedanken machen und uns eine Meinung bilden.
  • Und dann tun, was uns möglich ist, im Kleinen, vielleicht auch im Großen.

Dazu wünsche ich uns Gottes reichen Segen! Amen.