header

Predigt am 2. Adventssonntag im Jahreskreis B

6. Dezember 2020

Evangelium: Mk 1,1-8

„In deiner Stadt ist deine Wüste.“

So lautet der Titel eines Büchleins von Carlo Carretto, der zur Gemeinschaft der Kleinen Brüder gehörte, die Charles de Foucauld gegründet hatte. Foucauld hatte sich selbst in die algerische Wüste zurück gezogen und lebte als Einsiedler mit den Beduinen. Im Jahre 1916 wurde er vor seine Klause von Senoussi ermordet. Er war ein lebendiger Zeuge für seinen Glauben, für Christus.

Carlo Carretto hat das Wüsten-Dasein Foucaulds auf unsere Zeit übertragen. Er wusste und hat deutlich gemacht, dass viele Menschen in den Wüsten der Städte von heute leben müssen. Diese Städte - oft mit Millionen von Einwohnern, aber auch kleine Städte wie Erlenbach - können Wüsten sein, wo sich Menschen einsam fühlen und alleine sind.

Da passt das Wort von Carlo Carretto: „In deiner Stadt ist deine Wüste.“

Schauen wir in unsere Stadt Erlenbach, in unseren Mechenharder Stadtteil. Ich übertrage das Evangelium auf uns. Da heißt es:

„So trat Johannes in der Wüste auf und verkündete eine Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden.“

  • Wo ist heute unser Johannes?
  • Wer predigt heute die Umkehr?
  • Wer weist heute hin auf den, der kommt und mit dem Heiligen Geist tauft?
  • Wer ist heute der Rufer in der Wüste?

Da gibt es heute viele, die rufen. Ob sie aber zur Umkehr rufen, das möchte ich bezweifeln.

Vom Prinzip her könnte man versucht sein, sich die Ohren heute zuzuhalten, um nichts mehr hören zu müssen. Ich denke beispielsweise an die Nachrichten im Fernsehen, egal ob es die Tagesschau in der ARD oder die Heute-Nachrichten im ZDF sind. Da werden wir täglich bombadiert mit Corona-Fallzahlen, mit Analysen von mehr oder weniger fähigen Experten und so weiter und so fort.

Abschalten, möchte man manchmal. Abschalten aber auch von den anderen Nachrichten - etwa vom unsäglichen Possenspiel um die amerikanische Präsidentenwahl, oder auch von den Missbrauchsnachrichten im kirchlichen Bereich.

Es gibt heute viele, die rufen und ihre Meinung kundtun. Sind es aber auch wirklich Rufer in der Wüste, Menschen, die uns und unserer Zeit weiterhelfen wollen? Oder sind es nicht oft nur selbstgefällige Selbstdarsteller, die sich viel zu wichtig nehmen - in der Politik, im Sport, im gesellschaftlichen Rahmen, in der Kirche?

Der Täufer Johannes verkündete: „Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren.“ Die Botschaft des Täufers ist zeitlos, er sagt:

  • Da kommt einer, ja da ist einer, der wichtig ist: Gott.
  • Und er wird uns mit dem Heiligen Geist taufen.

Das heißt: Wir haben Perspektiven.

  • Gott will in unserem Leben eine Rolle spielen.
  • Und er will mit uns Gutes schaffen.

Vielleicht müssen wir deshalb selbst der Täufer Johannes sein. Jeder und jede von uns. Mann und Frau, die mit Gott im Leben rechnen und die mit Gott im Leben umgehen. Es gibt ein altes Geistliches Wort: „Nichts ohne dich, mein Gott, aber auch nichts ohne mich.“ Trauen wir uns, Johannes zu sein, rechnen wir mit Gott, leben wir mit Gott!

Klingt das zu fromm? Bin ich zu euphorisch?

Nie und nimmer! Unsere Zeit braucht Gott, die Menschen von heute brauchen Barmherzigkeit, die Ängstlichen brauchen Mut!

  • Und wer, wenn nicht Jesus selber, zeigt, dass uns Gott nahe ist?
  • Und wer, wenn nicht Jesus selber, lehrt den Weg der Barmherzigkeit?
  • Wer, wenn nicht Jesus, hat jedem Menschen Mut und Ansehen geschenkt und tut es auch heute noch?

Johannes sein, auf Jesus hinweisen, auf den Gott, der Mensch geworden ist, damit wir Menschen zu Gott finden. Oder anders ausgedrückt: Johannes sein, das heißt dann auch, dass wir Menschen - mit all dem, was uns immer bedrückt und unser Leben bedrängt - ja, dass wir Menschen voll Hoffnung und mit Überzeugung was aus unserem Leben machen.

Sagen wir ja zu unserem Leben, sagen wir Ja zu Gott. Es ist der, der mit uns geht. Machen wir's wie er, werden wir füreinander Menschen!

Amen.

­