Predigt am Christkönigssonntag

im Jahreskreis A

22. November 2020

Evangelium: Mt 25,32-46

Man kommt aus dem Staunen nicht heraus, schaut man auf das heutige Evangelium. Thema ist das Urteil über die, die in den Himmel kommen und über die, die abgewiesen werden. Was ist denn das Entscheidungskriterium, nach dem der Weltenrichter den Daumen hebt oder senkt?

  • Diejenigen, die vor dem Richter erscheinen, werden nicht etwa nach ihrem Glauben gefragt, ob er orthodox und korrekt gewesen sei.
  • Sie werden auch nicht nach ihrer Frömmigkeit gefragt, ob sie oft und fleißig gebetet und die Gottesdienste besucht haben.
  • Sie werden auch nicht nach ihrem moralischen Verhalten gefragt, ob sie sich entsprechend den Gesetzen der Kirche verhalten haben.

Einziges Kriterium in diesem Gericht ist vielmehr die Liebe, und zwar die getätigte Nächstenliebe, die sich gerade dort bewähren muss, wo die Not zum Himmel schreit, also gegenüber den Hungernden, den Obdachlosen, den Fremden, den Gefangenen.

Darin haben sich die Geretteten bewährt, ohne dass ihnen das überhaupt bewusst gewesen wäre. Dies eröffnet ihnen der König mit einem Wort, das sie in fassungsloses Staunen versetzt: „Ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war obdachlos und ihr habt mich aufgenommen; ich war gefangen und ihr habt mich besucht.“

Doch darauf wären die Barmherzigen von selbst nicht gekommen. Sie haben getan, was ihnen wichtig schien. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und der König unterstreicht: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

Uns ist das im Grunde genommen vertraut:

  • Denken wir nur an den Heiligen Martin, der seinen Mantel mit dem frierenden Bettler teilt. Christus erscheint ihm im Traum mit der anderen Hälfte von Martins Mantel.
  • Oder denken wir an die Heilige Elisabeth von Thüringen, die sich der Armen und Kranken annimmt und so Christus dient.

Jesus macht deutlich: Die Liebe entscheidet, ohne dass sie groß nachdenkt oder ihr barmherziges Handeln lange reflektiert. Das ist die Botschaft des heutigen Evangeliums. Und über diese Botschaft kann man wirklich staunen.

Aber es soll nicht beim Staunen bleiben. Was wir erkennen und als wichtig wahrnehmen, das gilt es in die Tat umzusetzen. Nämlich, die Armen und Hilfsbedürftigen sehen und ihnen beistehen. Das Evangelium erwartet Konsequenzen.

Dazu brauche ich keine Beispiele zu erzählen, es macht auch keinen Sinn, den moralischen Zeigefinger zu heben. Was soll's?

  • Schließlich weiß jeder und jede von uns, wo einem Menschen der Schuh drücken kann.
  • Schließlich leben wir alle in Gemeinschaft und erleben Menschen, die traurig sind, ein gutes Wort brauchen, helfende Hände und vor allem ein weites Herz, das Not sieht und bereit ist, die erlebte Not zu lindern.

Über all dem steht das Wort Jesu: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan.“

  • Wie ich dem Anderen beistehe, stehe ich Christus bei.
  • Wie ich um die Hilflosen und Armen kümmere, kümmere ich mich um Christus.

Mir scheint, das ist es, was wir heute brauchen. Unsere Kirche leidet, Menschen leiden an der Kirche. Viele drehen unserer Gemeinschaft den Rücken zu. Das wurde mir dieser Tage sehr schmerzlich bewusst, als ich wieder einmal eine Reihe von Briefen unterschrieben habe, die wir den Menschen schicken, die aus der Kirche ausgetreten sind. Hinter jedem Austritt steht eine Entscheidung, wohl verbunden mit der Enttäuschung über die Kirche, unsere Gemeinde oder auch über den Pfarrer.

Es mag viel zu kritisieren geben an der Kirche, auch unser Leben aus dem Glauben muss sich immer wieder erneuern. Da stehen wir Priester in der Pflicht und alle anderen, die ein Amt in der Kirche ausüben. Darüber hinaus stehen aber auch alle Christen in der Pflicht, heute glaubwürdig das Evangelium zu leben.

Und was ist unsere Aufgabe? Ich will es mit ganz einfachen Worten ausdrücken: Mit den Menschen zu gehen.

Das bedeutet, die Menschen zu sehen in ihrer Freude und Hoffnung, aber auch in aller Trauer und Angst. Und: Diese Menschen zu begleiten. Keiner soll uns aus den Augen kommen, geschweige denn, seinen Platz in unserem Herzen verlieren:

Das beginnt in der Familie, das endet in der gemeinsamen Verantwortung für die Schöpfung. Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen sind Freude und Hofffnung, Trauer und Angst derer, die Jesus nachfolgen wollen.

„Ich geh' mit, Bruder, Schwester, der du dich freust oder der du auch traurig bist.“ Das ist eine Aufgabe für uns Christen, aber auch ein Geschenk, denn einer hat uns dies als erstes zugesagt: Jesus Christus, der Mensch geworden ist, der zu jedem von uns sagt: „Du, ich geh' mit dir, wenn du dich freust und oder auch wenn du traurig bist!“ Wir ehren ihn heute als König, als der, der uns was zu sagen hat.

Amen.