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Predigt am 18. Sonntag im Jahreskreis A

2. August 2020 

Evangelium: Mt 14,13-21

Eigentlich wäre ich in diesen Tagen in Afrika - und zwar im Tschad. Auch wenn ich schon sieben mal im Tschad war, behaupte ich dennoch nicht, die Kirche dort und die Menschen wenn auch nur bruchstückhaft zu kennen. Aber das eine oder andere wage ich dennoch zu sagen.

Ein Wort ist mir bei meinen Besuchen in Afrika und in den dortigen christlichen Gemeinden immer wieder begegnet, das ist der Begriff „Famille de Dieu, Familie Gottes“. Gemeint ist damit die große Gemeinschaft der Christen, ja vielleicht sogar darüber hinaus. Ich habe z.B. die tiefe Freundschaft meines Mitbruders Alois mit der Naturpriesterin Daktumba erlebt. Beide haben sich als Bruder und Schwester bezeichnet.

Famille de Dieu, die Familie Gottes, das sind die Menschen in den Gemeinden, die miteinander leben und ihr Schicksal gemeinsam meistern. Eine Familie kennt sich und hat - in der Regel - einander  im Blick. Man weiß umeinander und steht zusammen.

Und da kommt mir schon das zweite Wort, das ich mit den Menschen in Afrika verbinde. Es ist das Wort Solidarität. Gerade in der tschadischen Sahelzone, die von Trockenheit und einer relativ kurzen Regenzeit geprägt ist, in der im Augenblick die Hungerzeit beginnt, weil die Ernte des vergangenen Jahres aufgebraucht ist, gerade in einer solchen Region ist Solidarität total wichtig, dass sich Menschen einander helfen und sich gegenseitig unterstützen.

Dazu einige Beispiele:

Da ist die Geschichte von Massissou, dem früheren „chef de village“, also Dorfchef von Gounou Gan im Mayo Kebi - Gebiet. Es sind schon einige Jahrzehnte her, dass das Dorf von Soldaten ausgeplündert werden sollte. Massissou ging den Schergen entgegen und verhandelte mit ihnen. Sie ließen vom Dorf ab, misshandelten und töteten aber in ihrem Zorn den mutigen Mann.

Famille de Dieu, die Leute in Gounou Gan redeten auch nach Jahren noch mit großer Hochachtung von ihrem Dorfchef, der sich für die Menschen in seinem Dorf geopfert hatte. Familie, die füreinander einsteht, das ist Familie Gottes.

Ein anderes Beispiel, ebenfalls aus Gounou Gan.

Nach dem sonntäglichen Gottesdienst saßen die Leute zusammen und erzählten, was so ansteht. Die Rede kam auf einen Mann, hieß er Gaston?, ich weiß es nicht mehr. Egal! Auf jeden Fall sprachen die Gemeindemitglieder davon, dass Gaston - ich nenne ihn jetzt einfach mal so - schon einige Zeit nicht mehr am Gottesdienst teilgenommen hatte. Man fragte sich warum.

Einer aus der Gemeinde wusste zu berichten, dass Gaston dem Alkohol verfallen war und sich schämte, zum Gottesdienst zu kommen. Man beriet miteinander und einer  wurde beauftragt, nach Gaston zu schauen und sich um ihn zu kümmern. Solidarität nenne ich das. Die Menschen wissen umeinander und kümmern sich, sie helfen, wie es ihnen möglich ist.

Familie Gottes und Solidarität, das will ich heute unterstreichen. Ich finde es im Evangelium:

  • Da kommen viele Menschen zu Jesus. Er hat Mitleid mit ihnen, weil er merkt, wie sie ihn suchen und brauchen. Um Jesus bildet sich die Familie Gottes.
  • Und die Jünger, die zunächst praktisch, aber unsolidarisch denken, lernen etwas ganz wichtiges: Sie sollen die Leute nicht wegschicken, sondern das teilen, was sie haben - und wenn es noch so wenig ist. Fünf Brote und zwei Fische, damit kann man alle satt machen. Das ist gelebte Solidarität.

Wäre das nicht auch gut für uns, der Kirche, unsere Gemeinden: Familie Gottes zu sein und Solidarität zu leben?

Wir haben eine Mitte: Christus Jesus. Er gibt uns den Auftrag, miteinander zu teilen.

Bleiben wir zunächst bei Jesus Christus, unserer Mitte. Für mich bedeutet das, ihn ins Leben zu holen. Nennen wir es beten. Mit ihm sprechen, „wie uns der Schnabel gewachsen ist“, ihm erzählen, was bewegt, nervt, was weh tut und was Freude macht. Loben, danken, bitten. Das ist Beten. Mit Jesus sprechen wie mit einem Freund.

Und teilen: Fünf Brote und zwei Fische. Jesus teilt zusammen mit den Jüngern. Die Rede ist dann davon, dass etwa fünftausend Männer davon gegessen haben, dazu noch Frauen und Kinder. Wollen wir uns an den Zahlen jetzt nicht aufreiben. Für mich steckt dahinter die Erfahrung: Wer teilt, der heilt.

Unsere Pfarrei - Menschen, die einander im Blick haben; Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche, denen der andere nicht egal ist, die offene Augen haben und helfende Hände. Das soll kein Traum sein, keine Utopie. Dies zu verwirklichen, dazu kann jede und jeder von uns mithelfen. Schließlich ist keiner von uns ein Robinson Crusoe, der auf einer einsamen Insel lebt. Wir leben in Familien, haben Freunde, sehen die Nachbarn um uns und entdecken mit offenen Augen und einem weiten Herz Menschen, denen es nicht gut geht.

So wird Familie Gottes und leben Solidarität. Wir sind bei Jesus in guter Gesellschaft und die Menschen um uns sollen sich auch bei uns in guter Gesellschaft wissen.

Vielleicht können wir da auch noch etwas von unseren Schwestern und Brüdern in Afrika lernen. Gott möge sie segnen, und uns, dass wir ihm keine Schande machen, sondern dass unser Leben ihm zur Ehre gereicht.

Bleiben wir so zusammen!

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