Predigt am 12. Sonntag im Jahreskreis A

21. Juni 2020

Evangelium: Mt 10,26-33

Man sagt, in der Bibel ist 365 mal das Wort „Fürchtet euch nicht!“ zu finden. Also für jeden Tag einmal. Ich habe es persönlich nicht nachgezählt, aber, wenn es so ist, dann ist es für mich ein sehr schönes Zeichen: Gott gibt mir, Gott gibt uns für jeden Tag die Ermunterung mit auf den Weg, keine Angst zu haben.

Allein im heutigen Evangelienabschnitt kommt die Aufforderung dreimal vor: Fürchtet euch nicht!

  • Fürchtet euch nicht vor den Menschen!
  • Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können.
  • Fürchtet euch nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen und Gott kennt euch so gut, dass er selbst die Haare auf eurem Kopf alle gezählt hat.

Das finden wir in der Aussendungsrede Jesu, die uns Matthäus überliefert. Er schreibt für Judenchristen, also für Christen, die sich aus der Synagogengemeinde heraus den Jüngern Jesu angschlossen haben. Man nimmt an, dass Matthäus sein Evangelium etwa in den 80-er Jahren nach Christi Geburt geschrieben hat. Damals war der Tempel in Jerusalem schon zerstört, viele Juden hatten sich in der damaligen bekannten Welt zerstreut und lebten in der Diaspora. Die Christen, wurden nicht nur beargwöhnt, sondern z.T. auch schon systematisch verfolgt:

  • Zum einen vom römischen Staat - denken Sie an Kaiser Nero, dem berühmt-berüchtigten Christenmörder.
  • Zum anderen von den jüdischen Synagogenautoritäten, die den Christen Gotteslästerung vorwarfen. Zu diesen Verfolgern zählte ja anfänglich auch Saulus, der bei der Steinigung des Stefanus die Kleider der Henker bewachte.

Also: Matthäus greift mit Recht und wohl auch mit großer Sorge die Worte Jesu auf, dass die Jünger keine Angst haben sollen. Jesus selbst hat ja aus dem absoluten Vertrauen auf seine Vater im Himmel gelebt, der jeden Menschen kennt und liebt. Er selbst lebte diesen Vater vor - in seinem Umgang mit den Sündern, den Kranken und den Kindern.

„Fürchtet euch also nicht!“ Es sind im Letzten die Worte des Auferstandenen an seine Jünger. Es sind somit auch die Worte Worte des Auferstandenen an uns. „Fürchtet euch nicht!“

Wobei wir uns heute in einer anderen Situation befinden als die Jünger der ersten Christengemeinden. Wir - zumindest in Deutschland - müssen nicht um unser Leben fürchten, weil wir Christen sind.

Mein Mitbruder Alois in Kamerun erlebt das schon ein wenig anders. Mehrere Male wurde er in den vergangenen zwei/drei Jahren in seinem Pfarrhaus überfallen, einmal sogar verletzt. Neben den - ich will mal sagen - „gewöhnlichen“ Dieben und Überfällern erstarkt dort in Kamerun, wie auch im Tschad, wo er viele Jahre als Priester gearbeitet hat, die Boko Haram - Bewegung, die wohl so was ähnliches wie der „Islamische Staat“ auf afrikanischen Boden ist.

Nur:

  • Was können wir aus dem Wort Jesu für uns heute als Schluss ziehen?
  • Was kann das „Fürchtet euch nicht!“ für uns bedeuten?

Ich will mal im Evangelium weiterlesen und da heißt es:

  • „Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet im Licht, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet auf den Dächern!“ Und:
  • „Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater bekennen.“

Ich sehe darin eine Aufforderung zum mutigen Christsein in der heutigen Zeit. Christsein, das heißt, mit Jesus leben und mit ihm für die Menschen Verantwortung übernehmen. Dazu brauchen wir keine Übermenschen sein, die große Reden schwingen oder wunder welch große Aktionen durchführen. Christsein - Sie wissen es - heißt für mich „Werktagsheiligkeit“, also die Beziehung zu Gott, zu den Menschen und zu unseren Aufgaben in Einklang zu bringen. Das geschieht nicht an großen Feiertagen und am Sonntag, sonder das geschieht in kleinen Schritten, unter der Woche, am Werktag, und es kann dadurch Großes geschehen.

Lassen Sie mich dazu aus dem Buch „Die nackten Fragen des Evangeliums“ zitieren. Es sind Vorträge, die der Serviten-Pater Ermes Ronchi im Jahre 2016 für den Papst und die Mitglieder der Kurie in Rom gehalten hat. Er schreibt:

„Manchmal kommt es mir vor, als befänden wir uns in einer großen Wüste: Hunger, Gewalt, Unterdrückung, Gleichgültigkeit; ich bin versucht, aufzugeben und mich dem allen zu entziehen. Es ist zu viel für mich; was soll das bisschen bringen, das ich zu geben habe? Dann heißt es, der Versuchung nicht nachzugeben: Ich werde fortfahren, eine kleine Oase des Friedens inmitten der Wüste zu pflanzen. Und wenn es nur eine einzige Palme ist: Wenn andere es auch tun, wenn viele andere es tun, werden es schließlich Tausende sein, und die Wüste wird zurückgedrängt. 'Der Fluss beginnt mit dem ersten Tropfen Wasser, die Nacht mit dem ersten Stern, die Liebe mit dem ersten Blick' (Promo Mazzolari). Mit der Tat des barmherzigen Samariters beginnt die neue Welt. … Auf Müllwagen in Mailand las ich neulich die Aufschrift: 'Sei du die Veränderung, die du in der Welt sehen willst' (Mahatma Gandhi). - Wir laufen in Gefahr, viel von Liebe zu reden und sie dann an andere zu delegieren. Sein, was wir von anderen verlangen, das wäre ein gutes Motto.“

 Hat Pater Ronchi nicht recht? Fürchten wir uns also nicht! Sind wir dankbar, Christen zu sein, und leben wir also unerschrocken als Christen!