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Predigt am 4. Ostersonntag im Jahreskreis A

3. Mai 2020

Evangelium: Joh 10,1-10

Gerne erinnere ich mich an ein Erlebnis mit einer 3. Klasse in meiner ersten Gemeinde in Dettingen: Wir besuchten zusammen freundlichen Bauern. Er hatte eine kleine Herde von Schafen und ich durfte mit den Kindern bei ihm vorbei kommen. Als ich mit den Kindern ankam, standen die Schafe auf der Weide. Der Schäfer stellte sich vor: „Ich bin der gute Hirte meiner Schafe. Ich kümmere mich um sie und sie kennen mich. Ich sorge für Futter und dafür, dass es die Schafe im Stall gemütlich haben. Und: Die Schafe kennen mich!“

- Erinnern Sie sich an das, was Jesus im Evangelium gesagt hat? -

Also, wir gingen zusammen zur Koppel, der Bauer  vorneweg. Als die Schafe den Bauern sahen, hoben sie die Köpfe, trauten sich aber wohl noch nicht zu kommen, weil doch eine ganze Reihe Kinder am Gatter stand. Dann rief er die Schafe. Er hatte sich für jedes einen Namen ausgedacht. Und tatsächlich: Die Schafe kamen und die Kinder durfte ihnen etwas zum Fressen reichen.

Wir blieben einige Zeit, die Kinder fragtenden freundlichen Mann Löcher in den Bauch und wollten gar nicht mehr gehen.

Lese ich das heutige Evangelium vom guten Hirten, kommt mir dieser Schäfer immer in den Sinn: Der Gute Hirte seiner Schafe. Für meine damaligen Kommunionkinder war das Evangelium anschaulich erlebbar geworden und auch ich habe nach bald 30 Jahren dieses Erlebnis noch in Erinnerung, als wäre es erst dieser Tage gewesen.

Warum erzähle ich so lang und breit davon?

  • Zum Einen, weil ich mich eben immer wieder an dieses schöne Erlebnis erinnere, wenn ich das Evangelium vom Hirten Jesus lese.
  • Zum Anderen, weil ich glaube, dass dieses Evangelium jeder und jedem von uns etwas zu sagen hat.

Es geht dabei nicht um idyllische Schäferromantik. Das wusste auch Jesus. Das Leben eines Hirten konnte anstrengend sein. Und die Zuhörer Jesu wussten das genauso: Da konnten Diebe kommen, die rauben und schlachten, da konnten auch wilde Tiere in die Herden einfallen. Manchmal war es gefährlich, Schäfer zu sein.

Doch ich bleibe am letzten Satz des heutigen Evangelienabschnittes hängen: Jesus sagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ (Joh 10,10)

Damit spricht er seinen persönlichen Auftrag an, den er von seinem Vater erhalten hat: Den Armen eine gute Nachricht, den Gefangenen die Entlassung, den Blinden das Augenlicht, den Zerschlagenen die Freiheit und allen ein Gnadenjahr des Herrn!“ (Lk 4,18f). So liest er in der Synagoge seiner Heimatstadt David aus dem Buch Jesaia vor und deutet das Gelesene auf sich: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“ ( Lk 4,21)

Jesus kommt, damit die Menschen, damit wir das Leben in Fülle haben.

Das ist für mich die tiefste Botschaft des eben gelesenen Evangelienabschnitts. Das gilt es auf uns zu übertragen.

1. Jesus will, dass wir leben

Was heißt das?

Wenn ich die Schöpfungsgeschichte auf mich wirken lasse, so heißt es, dass Gott alles angeschaut hatte, was er geschaffen hatte: „Und siehe, es war sehr gut.“ (Gen 1,31) Die Botschaft der Heiligen Schrift lautet von Anfang an: Gott will das Gute - für die Schöpfung, für den Menschen. Über unserem Leben steht das Wohlwollen Gottes!

Dieses Wohlwollen, also dass Gott uns wohl will, ist uns nicht zu nehmen. Der liebende Blick des Schöpfers, des Abba-Vaters, wie Jesus ihn nennt, ruht auf uns. Wohlwollen Gottes, das ist der Grundtenor unseres Lebens, der ganzen Schöpfung.

Gott hat die Welt, die Pflanzen, Tiere und Menschen geschaffen mit einem wohlwollenden Blick, mit einem liebenden Herzen. Dieser Blick, dieses Herz wendet er nicht ab. Dafür ist Jesus Zeuge.

Wie er auf Menschen zugeht, wie er einen Blick hat für die Pflanzen und die Tiere, wie er gerade auch mit den Menschen umgeht, mit denen andere keinen Umgang pflegen möchten: Das alles zeigt das Wohlwollen und das liebende Herz Gottes. Jesus will, dass wir leben - und zwar nicht nur äußerlich in Frieden sind, sondern auch mit Gott und mit allen Geschöpfen Frieden machen: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40)

2. Jesus will, dass wir es im gleich tun

Im Markus-Evangelium wird erzählt, wie er die zwölf Jünger ruft, „damit sie mit ihm seien und damit er sie aussende, zu verkünden und mit Vollmacht Dämonen auszutreiben.“ (Mk 3,15). Er lässt sie teilhaben an seiner Sendung, will dass sie mit ihm den Menschen zu leben helfen.

Das Wort darf auch uns nicht kalt lassen. Wir sind heute die Jünger Jesu. Er hat heute keine anderen zur Auswahl als uns, er hat uns in der Taufe und in der Firmung mit seinem Geist gestärkt, seine Aufgaben zu übernehmen.

3. Gerade in der Zeit der Corona.

Ich habe in den letzten Wochen erleben können, wie sich so manches Pflänzchen aus dem festen Boden des herkömmlichen Alltags durchgeschafft und vom Leben erzählt hat, das manchmal so freudlos daher gekommen ist:

  • Allein wenn ich daran denke, wie unsere Familien- und Kinderkirchengruppe in der Zeit um Ostern aktiv geworden ist und ganz viele Impulse den Familien und Kindern mit auf den Weg gegeben hat.
  • Mir kommt in den Sinn, wie gerade in Mechenhard und Streit, wo die Kirchen wegen Renovierungsarbeiten geschlossen sind und die Menschen keinen richtigen Platz hatten, um ihre Sorgen vor dem Altar oder dem Bild der Gottesmutter los zu werden, wie gerade in diesen beiden kleineren Gemeinden unserer Pfarreiengemeinschaft das Gebet in Schweren Zeiten den Menschen nach Hause gebracht wurde, damit sie die Verbindung zur Gemeinschaft spüren konnte.
  • Da in den letzten Wochen keine Kommunion zu den Kranken und Alten nach Hause gebracht werden konnte, haben kleine Grüße gezeigt, dass wir sie nicht vergessen haben. Liebe Helfer haben diesen Dienst für andere getan.
  • Besuche im Seniorenwohnstift und im Krankenhaus waren nicht möglich, auch Verwandtenbesuche auf das Mindeste begrenzt. So manches Telefongespräch, mancher Brief oder manche Mail konnten die Verbundenheit stärken.
  • Ein Kreuz, an verschiedenen Stellen unserer Stadt aufgestellt, hat in der Karwoche eindringlich gemahnt: „Einer trage des anderen Last!“
  • Nachbarschaftshilfe, Unterstützung von Bedürftigen, vieles, was im Stillen geschehen ist und weiterhin geschieht…

All das sind Pflänzchen, die sich aus dem harten Boden des herkömmlichen Alltags durchgeschafft haben und die von der Kraft des Lebens erzählen.

„Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben.“

Hören wir also Jesus und freuen wir uns über das Leben, das wir entdecken, gerade in der Zeit, in der der unsagbare Corona-Virus die Gesundheit und das Leben so vieler Menschen bedroht.

Es konnten in den letzten Wochen keine gemeinsamen Gottesdienste stattfinden und auch in der nächsten Zeit werden wir mit großen Einschränkungen leben müssen. Bei all dem aber können wir eines lernen:

  • Unser Gottesdienst ist ganz stark zu einem Nächsten-Dienst geworden!
  • Wir sind selbst Teilhaber Jesu und können mit ihm dem Leben dienen!

An diesem 4. Sonntag der Osterzeit beten wir traditionell um Geistliche Berufe. Ja, möge Gott Menschen rufen, die im Geistlichen Dienst an der Kirche, aber auch im Geistlichen Dienst am Nächsten ihre Aufgabe sehen. Wir brauchen sie, die Kirche braucht sie, die Menschen brauchen sie!

Ich wünsche uns, dass wir selbst spüren, wo wir Kraft zum Leben empfangen, und wie wir anderen zum Leben helfen können.

Vielleicht sind auch wir dann füreinander so ein guter Hirte wie es Bauer Freppon für seine Schafe gewesen ist. Ich denke gerne an ihn!

Amen.

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