Predigt am Heiligabend

24. Dezember 2019

Evangelium: Lk 2,1-14

Ich geh' mit...

Zielsatz: Jesus geht mit uns - in Freude und Leid, er ist Immanuel.

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Weihnachten war für mich dieses Jahr am 13. Juni.

Wir waren zur Pilgerfahrt im Heiligen Land. An diesem 13. Juni, einem Donnerstag haben wir in Bethlehem das Waisenhaus der Vinzentinerinnen besucht. Es trägt den französischen Namen „La Crèche“, was soviel wie „Die Krippe“ bedeutet.

Im Jahre 1885 wurde das Waisenhaus von den Schwestern des Ordens des Heiligen Vinzenz von Paul gegründet. Sie kümmern sich um verlassene Kinder und um Kinder aus benachteiligten Sozialschichten. Sie nehmen Kinder auf, die sie auf der Straße auflesen, die von ihren Müttern ausgesetzt werden, weil sie sie nicht großziehen können, weil ihnen vielleicht der Ehrenmord droht, aus welchen Gründen auch immer.

Es sind:

  • Kinder ohne Namen,
  • Kinder ohne Eltern,
  • Kinder ohne Dokumente,
  • Kinder, die für den palästinensischen Staat schlicht und einfach nicht existieren,
  • Kinder, die in eine dunkle Zukunft hinein geboren worden sind.

In der Crèche finden sie Liebe und ein Dach über dem Kopf.

Also, an diesem 13. Juni besuchen wir die Crèche .  Eine Schwester legt mir ein Baby in den Arm:In der Crèche

Bitte, nimm mal das Kind auf den Arm, lass dich damit fotografieren und erzähl jedem von dem, was du gerade erlebst. Das Baby haben wir vor einer Woche von der Straße aufgelesen: abgelegt, ausgesetzt, verlassen, ohne Liebe, ohne einen Menschen, der es in den Arm nehmen wollte.

Wie alt wird es gewesen sein? Vier Wochen, zwei Monate? Keine Ahnung! Es hat mich aber mit sehr wachen und interessierten Augen angeschaut.

Für mich ein Erlebnis, das ich wohl so schnell nicht mehr vergessen werde. Und das alles ausgerechnet in Bethlehem, dieser palästinensischen Stadt vor den Toren Jerusalems!

Bethlehem, wo vor mehr als 2000 Jahren ein anderes Kind zur Welt gekommen ist, von dem heute alle Welt spricht, dessen Geburt weltweit gefeiert wird, das einen Namen hat, der zugleich Programm seines Lebens sein wird: Jesus - Jahwe / Gott ist Heil.

Der Start dieses Kindes war damals auch alles andere als romantisch, war traurig, fast unsäglich: In einem Stall wurde es geboren, in den Häusern war für ihn kein Platz, fand sich kein warmes Bett.

  • Jedoch hatte es liebevolle Eltern: Maria und Josef.
  • Da kamen die Hirten, die sich über seine Geburt freuten.
  • Da brachten Weise aus dem Morgenland Geschenke, knieten sich nieder und beteten an.

In diesem Kind Jesus ist den Menschen das Heil geschenkt worden. Gott hat in diesem Kind den Menschen das Heil erwiesen.

Jesus ist der Gott, der mit den Menschen das Leben teilt, Freude und Hoffnung, Trauer und Angst mit den Menschen trägt. Es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in seinem Herzen einen Widerhall gefunden hätte.

Was damals vor mehr als 2.000 Jahren in Bethlehem geschehen ist, das geht uns heute an:

„Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft ruht auf seinen Schultern.“ So hat es der Prophet Jesaia vor mehr als 2500 Jahren verkündet. Und Paulus sagt von Jesus: „Die Gnade Gottes ist erschienen, um die Menschen zu retten.“ (Tit).

Es ist kein namenloses Kind, zu dem wir aufschauen. Es ist ein Kind, das eine Sendung, einen Auftrag hat: Die Menschen hin zu Gott zu führen. Dieses Kind feiern wir heute, dieses Kind brauchen wir heute.

Wir brauchen Gott, wir brauchen Jesus, weil wir Menschen sind und Menschen sein wollen. Wir brauchen Gott, wir brauchen Jesus, weil wir die Welt menschlich machen wollen.

Die Schwestern in der Crèche gehen liebevoll um mit den namenlosen und ausgesetzten Kinder. Wenn wir liebevoll miteinander umgehen, wenn  wir besonders mit den Armen, die es auch in unserer Stadt gibt, umgehen, dann stehen wir an der Krippe unseres alltäglichen Lebens.

  • Dann wird Weihnachten nicht nur ein Fest im Lichterglanz sein.
  • Dann wird jeden Tag Weihnachten, indem wir Licht bringen in die Dunkelheit des Lebens.

Schauen wir auf das Kind in der Krippe und schauen wir auf die Menschen mit liebevollen Augen, mit einem warmen Herzen. Dann ist Weihnachten nicht nur am 25. Dezember, sondern auch am 1. Februar, am 7. Mai, 13. Juni - wann auch immer. Weihnachten kann jeden Tag sein.

Wie hat die Schwester damals zu mir gesagt? „Nimm das Kind in den Arm!“

Ja, nehmen wir das Kind, das Jesus - Kind nicht nur in den Arm, schließen wir es ins Herz.

Nimm den Menschen an, besonders den Armen, so gut wie du es eben kannst.

Und vielleicht bist du ja selbst das Kind, das Gott in den Arm nimmt. Er sagt: Ich geh' mit - in dein Leben hinein. Wir dürfen ihm antworten: Ja, und ich geh' auch mit! In mein Leben - zu den Menschen, die mich brauchen. So wird Weihnachten! Amen.