Predigt am Silvestertag / Neujahrstag
31. Dezember 2018 / 1. Januar 2019
Evangelium: Lk 2,16-21

Am achten Tag nach seiner Geburt wurde Jesus beschnitten. Er erhielt damit das Zeichen, dass er zum auserwählten Volk Gottes gehört. Gleichzeitig wird ihm der Name geben, den der Engel bei der Verkündigung genannt hat: Jesus - „Gott ist Heil“. Er wird zum Heilsträger schlechthin.

Jesus hat sich offenbar seinen Namen sehr zu Herzen genommen, denn er weist konsequent auf Gott als den einzigen Heilsgaranten hin; er allein ist gut. Und Jesus ist Gottes Heilsträger für die Menschen. Alle innerweltlichen Heilsversprechen weist er zurück und lenkt den Blick auf Gott, dessen Reich mit seinem Wirken begonnen hat.

„Gott ist Heil“. Mit diesem Versprechen und mit dem, der Träger des Versprechens ist, beenden wir das vergangene Jahr und beginnen wir das Neue. Im Grunde genommen brauchen wir nichts anderes, als dass wir das Heil von Gott erwarten und auf ihn hin am Heil mitwirken.

Was kann man bei einem Jahreswechsel sagen?

Wir können zurückschauen auf das vergangene Jahr, politisch wie kirchlich. Jeder und jede von uns wird sich in diesen Stunden eigene Gedanken an das Vergangene machen. Da werden schöne Erlebnisse uns in den Sinn kommen, aber auch Ereignisse, die bedrücken. Vieles ist geschehen und wir können es nicht mehr ungeschehen machen.

Und im Ausblick auf das kommende - neue - Jahr ist eines sicher: Dass vieles wieder auf uns zukommen wird, hoffentlich können wir uns über vieles freuen, sicher wird uns manches auch fassungslos und traurig werden lassen.

Über allem soll der Name „Jesus“ stehen - „Gott ist Heil“. Das verlangt von uns ganz viel Vertrauen auf den lebendigen Gott. Wir trauen ihm zu, dass er in unserem Leben wirkt. Unser Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden, wie es Jesus einmal sagt. Mit dem Gott des Lebens gilt es jeden Tag neu zu beginnen.

Vielleicht sind dabei drei Handlungsprinzipien notwendig:

Mystik, Geschwisterlichkeit, Politik.

  1. Mystik.

Der Heilige Paulus schreibt in seinem Brief an die Galater: „Ich bin mit Christus gekreuzigt worden, nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich aber jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat.“ (Gal 2,19f)

Ich meine, wir brauchen - Sie und ich - eine ganz enge Beziehung zu Jesus. Ich habe z.B. eingangs verschiedene Zahlen vorgetragen. Da war die Rede von der Zahl derer, die Sonntag für Sonntag den Gottesdienst feiern. Rund 10 % der Erlenbacher Katholiken tun dies. Das bedeutet andererseits, dass 90 % sich davon fernhalten. Gottesdienst feiern ist eine zentrale Aufgabe von uns Christen. Wir versammeln uns um Christen, teilen sein Wort und sein Brot, vereinen und mit ihm und verbinden uns miteinander.

Eine Kirche, die nicht mystisch ist, also eine enge Beziehung zu ihrem Gründer und ihrer Mitte Jesus nicht hält, ist auf Dauer keine Kirche. So ähnlich hat es einmal Karl Rahner, der große Theologe des 20. Jahrhunderts gesagt. Gottesdienst zu feiern ist aber nicht nur etwas für ein paar wenige. Gottesdienst feiern, das schafft die Mitte auf Christus hin. Und das braucht jeder und jede von uns.

Nennen wir es Mystik.

  1. Geschwisterlichkeit

Das lernt die Kirche in diesen Wochen gewaltig. Ich zitiere Papst Franziskus in seiner diesjährigen Weihnachtsansprache beim Segen Urbi et Orbi:

"Was ist die universale Botschaft von Weihnachten? Sie sagt uns, dass Gott ein guter Vater ist und dass wir alle Geschwister sind. Diese Wahrheit liegt der christlichen Vorstellung vom Menschsein zugrunde. Ohne die Geschwisterlichkeit - der Papst verwendet das italienische Wort fraternitá - Brüderlichkeit,  die uns Jesus geschenkt hat, haben alle unsere Bemühungen um eine gerechtere Welt einen kurzen Atem."

Ich denke, wir beginnen dabei in der Kirche selbst. Nicht die „Hochwürden“ und „Exzellenzen“ machen die Kirche aus, sondern alle Getauften sind Kirche, Brüder und Schwestern Christi, Geschwister untereinander. Ob wir - auch in unserer Gemeinde - bereit sind, diese Schritte zu gehen - hin zu mehr Familienhaftigkeit und Geschwisterlichkeit? Die Kirche und - ich betone es sehr nachdrücklich -  die Gesellschaft braucht dies.

Mir ist dies dieser Tage neu bewusst geworden, als ich wieder einmal das Foto der aufgehenden Erde gesehen habe, das der damalige Apollo 8 - Astronaut Bill Anders am 24. Dezember 1968 - also vor 50 Jahren - aus der Mondumlaufbahn geschossen hat. Die Erde ist unser Planet, den uns Gott geschenkt hat. Und wir alle sind ein Teil der Erde, sind einander Brüder und Schwestern im weiten Universum des Weltalls.

Ja, Geschwisterlichkeit, ein Handlungsprinzip für uns Menschen.

  1. Politik

Ist uns das bewusst, dass wir zu Christus gehören und dass wir einander Brüder und Schwestern, also Geschwister auf der einen Erde sind, dann muss unser Handeln politisch werden.

Ein kleines Beispiel nur: Im Jahre 1986 - dem Jahr der Tschernobyl-Katastrophe hat der Erzbischof von Salzburg die Betroffenheit von jungen Müttern über die Lebensbehinderung ihrer kleinen Kinder auf Grund der Atomkatastrophe in Tschernobyl weitergegeben. Er wurde von seinem Regensburger Amtskollegen kritisiert und der damalige Bayerischen Ministerpräsidenten hat ihm Amtsmissbrauch vorgeworfen. (Zitiert nach: Zulehner, Das Gottesgerücht, S. 91).

Kirche soll nicht stören, so sagen auch heute die Mächtigen. Sie soll sich heraushalten. Doch wer um den innerkirchlichen Harmoniefrieden besorgt ist und nicht merkt, wie unbiblisch dieser oft ist, arbeitet eher einer Friedhofsruhe zu, als dass das Christentum bereitet ist, den Menschen zu dienen, besonders den Armen in der Welt.

Die Kirche, wir eine Gemeinschaft, die in Christus ihren Mittelpunkt hat, mystisch ist; die an einem Klima der Geschwisterlichkeit - auch in unseren Gemeinden - arbeitet und die bereit ist, die Gesellschaft zu verändern, nach Kräften den Menschen, besonders den Armen zu dienen: Diese Kirche brauchen wir, diese Kirche braucht die Welt.

Ob wir im kommenden - neuen - Jahr daran mitarbeiten, das liegt an uns allen. Jeder und jede bringt sich dabei auf seine / ihre Art und Weise bei. Nicht jeder kann alles und muss alles können. Aber das, was wir können, das ist unser Beitrag für die Kirche, für die Menschen.

Ich habe als Jahresthema für unsere Gemeinden ein Wort in Anlehnung an den Lobgesang des Zacharias (Lk 1) aus dem Lukasevangelium gewählt: „Lenke unsere Schritte...“ Ja, Gott soll unsere Schritte lenken. Die Schritte jedes einzelnen und jeder einzelnen von uns. Wir brauchen ihn, damit wir gute Wege gehen, seine Wege gehen, die Wege des Heiles. Jesus ist uns vorausgegangen. Gehen wir hinter ihm her in dieses kommende - neue - Jahr.

Amen.