Predigt am 33. Sonntag im Jahreskreis B
18. November 2018
Evangelium: Mk 13,24-32

„Alles muss bis auf den Grund zerstört werden, damit Neues werden kann.“

Mich erschreckt dieses Wort, das der Heiligen Katharina von Siena zugeschrieben wird. Es könnte aber wie eine Überschrift über den vorletzten Sonntag des Kirchenjahres stehen. Da ist im heutigen Evangelium die Rede vom Ende und der Zerstörung auf der einen Seite, auf der anderen Seite wird vom Neuanfang gesprochen, vom Feigenbaum, dessen Zweige saftig werden und der Blätter treibt. Ein Beispiel, dass Zukunft möglich ist und kommen wird.

Machen wir uns zunächst einmal bewusst:

Als Markus sein Evangelium etwa 30 / 40 Jahre nach Jesu Tod verfasste, lebten die Christen in einer Umwelt, in der sie verfolgt oder sogar getötet wurden:

  • Jakobus, einer der zwölf Apostel, war schon hingerichtet worden.
  • Stephanus, der Diakon, war gesteinigt worden.
  • Die Christen waren Freiwild für Herrscher und Despoten, wie für den grausamen Kaiser Nero von Rom, der die Christen als lebende Fackeln in seinen Gärten oder in der Stadt verspotten, foltern und töten ließ.

Die Christen mussten viel Grausames erleben und waren hilflos der Gewalt ausgeliefert. Deshalb waren für sie die Worte, die Markus von Jesus überlieferte,im Grunde genommen sehr vertraut. Sie erlebten die große Not, von der Jesus sprach, als ihre Situation und hörten doch die Worte des Herrn als Ermutigung und Trost. Die Christen lebten darauf hin, dass der Herr mit großer Macht und Herrlichkeit bald - ich betone: bald! - wiederkommen wird, dass ihre Erlösung nahe ist.

„Alles muss bis auf den Grund zerstört werden, damit Neues werden kann.“ Auf dieses Neue hofften die ersten Christen und lebten darauf hin. Katharina hat wohl ähnliche Erfahrungen machen müssen.

Schauen wir auf die Heilige: Katharina, war um 1347 in Siena als Tochter eines Wollfärbers geboren. In der Familie herrschte sicher bittere Armut. Mit 18 Jahren trat Katharina in den Orden der Bußschwestern des Heiligen Dominikus ein. Im Pestjahr 1374 erkrankte sie selbst bei der Pflege von Pestkranken. Mit ihrem großen politischen Talent konnte sie viele Streitigkeiten und Feindschaften - auch in der Kirche - beilegen. Am 29. April des Jahres 1380 starb Katharina in Rom, gerade mal 33 Jahre alt.

  • Sie hatte in ihrem Leben großes Leid erlebt unter den Menschen, die der fürchterlichen Seuche der Pest oft so hilflos ausgeliefert waren.
  • Sie hatte genauso großes Leid in der Kirche erlebt, die in sich zerrissen und gespalten war. Der Papst war damals nach Avignon verbannt und Katharina setze sich für seine Rückkehr nach Rom ein.

Sie kannte die Tiefen menschlichen Leides, das Scheitern und das Untergehen. Aber sie hat geahnt und ganz fest daran geglaubt, dass im Untergang Neues werden kann und werden wird.

Schauen wir nun aber in unsere Zeit. Kommen uns da nicht auch Klagen und sind wir nicht erschüttert?

  • Über den fürchterlichen Krieg in Syrien, in Afghanistan, im Jemen.
  • Über die ungeheuren Waldbrände in Kalifornien, wo Dutzende Menschen umkommen und Tausende ihre Häuser verlieren.
  • Über das Leid so vieler Familien - auch in unserem Land -, wenn Streit und vergiftete Beziehungen Kindern und Erwachsenen jegliche Freude am Leben nehmen.
  • Über … Wer von uns könnte die Litanei nicht fortsetzen mit Eindrücken aus dem Fernsehen oder mit Erlebnissen im eigenen Umfeld?

Es muss doch endlich mal eine Zeit kommen, in der alle Not zu Ende sein wird! Es muss doch mal eine Zeit kommen, in der Erlösung Wirklichkeit wird! So möchte ich die Klage der ersten Christen aufnehmen. Sie riefen damals: „Maranatha, komm, Herr, komme bald! Beende alle Not und alles Leid in der Welt!“

An diesem Sonntag begehen wir in Deutschland den Volkstrauertag.

  • 100 Jahre nach dem Ende des 1. Weltkrieges erinnern wir uns der Millionen Opfer der Kriege des vergangenen 20. Jahrhunderts.
  • Wir erinnern uns aber auch an die Vertreibung und an das unvorstellbare Unrecht, das in Folge der Kriege über ungezählte Menschen - nicht nur in Deutschland - gekommen ist.

Wir nehmen zugleich die Mahnung auf, an die Opfer der Kriege und der Gewalt in der heutigen Zeit zu denken. Mir sind heute vor allem die Bilder der Tausenden Menschen vor Augen, die aus Honduras flüchten, um ins so genannte „gelobte Land“ USA zu kommen. Wie viele Kinder sind darunter!

Das Markus-Evangelium mit der Rede Jesu vom Endgericht mag so für uns zu einem Ausrufe-Zeichen werden. Es mag uns sagen, dass es mehr gibt als alle Not der Welt. Es wird eine Erlösung kommen - nicht am St. Nimmerleinstag, sondern an jenem Tag und zu jener Stunde, die nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater im Himmel kennt, am Tag des Menschensohnes.

An uns liegt es, die Hoffnung auf diesen Tag wach zu halten und uns für diesen Tag zu bereiten, dass uns dann Jesus Christus im Endgericht wach und bereit findet. Und wach und bereit sein, das heißt nach den Worten Jesu: Im Geringsten unserer Brüder und Schwestern IHM zu begegnen und IHM zu dienen.

  • Da wird kein Platz sein für Gewalt in unserem Leben!
  • Da wird niemand mehr den anderen unterdrücken und betrügen!
  • Da wird keiner mehr die Schöpfung zerstören und ausbeuten!
  • Da geht es einzig und allein um Gerechtigkeit und um Ehrfurcht vor Gott und den Menschen.

Vielleicht muss dann, um die Worte der Heiligen Katharina ein wenig abzuändern, wirklich jeder Hass und alle Gewalt bis auf den Grund zerstört werden, damit Neues werden kann, Neues, das uns aus der Lebenshingabe Jesu am Kreuz geschenkt worden ist: Nämlich Versöhnung und Frieden.

Ein schöner Traum? Ich hoffe nicht. Ich glaube daran, dass Friede und Gerechtigkeit siegen werden. Geben wir deshalb Gott die Chance, dass dieser Traum in uns und in unserer Zeit Wirklichkeit werden kann!

Amen.