Leben mit dem Corona Virus
In letzter Zeit hat man oft gehört: Wir werden wohl noch lange mit dem Corona Virus leben müssen. Er kommt und geht. Folglich muss man sich mit ihm auseinandersetzen. Eben berichtet mir mein Bruder Martin, dass Europa und auch die Schweiz von einem zweiten Schub erfasst worden sei. Missionare wie ich mussten lange Zeit mit dem «Tschadkrieg» leben. Mit Nostalgie erinnern wir uns zuweilen an diese Zeit.
Alte Missionare hatten uns im zweiten Weltkrieg Geborene als «Kriegsware = schlechte Qualität» abgetan. Trotzdem existieren und arbeiten wir noch, denn der Krieg hat uns für das Leben gestärkt und gewappnet. Der neue Rundbrief zeigt, was wir mit eurer spirituellen und materiellen Hilfe trotz Covid-19 – oder sogar dank Covid-19 - verwirklichen konnten. Dabei war uns die in diesem Jahr für den Wallfahrtsort hier gegründete Gesellschaft „Amis du Sanctuaire“ (Freunde des Heiligtums) eine sehr grosse Hilfe.
In einem Krieg hat man es mit einem sichtbaren Feind zu tun. Covid-19 ist ein unsichtbarer Feind, der alles trennt und isoliert. Folglich ist er auf spiritueller Ebene zu bekämpfen. Man kann sagen, er ist Symbol der letzten Jahrhunderte, wo Dank der aufkommenden Mechanisierung alles organisiert, schubladisiert, mechanisiert, individualisiert wurde mit Resultaten wie Kolonisation, Weltkriege,
Bürgerkriege, Flüchtlinge, Naturzerstörung, Verarmung. Dem gegenüber ist der Mensch als Einzelner machtlos und reagiert deshalb mit totaler Uninteressiertheit (Papst Franziskus). Jeder zieht sich in sein Schrebergärtchen zurück – wenigstens in Afrika.
Auf spiritueller Ebene haben wir an Pfingsten in diesem Sinne in unserer Wallfahrtspfarrei Maria als Königin des organischen Denkens und Handelns gekrönt für einen neuen Pfingstaufbruch der Post-Corona-Zeit. Künstlerisch veranlagte Frauen haben Kronen für mehrere Marienbilder hergestellt. Kinder behaupteten, dass Maria gelächelt hätte, als wir ihr Bild mitsamt ihrem Sohn in der Monstranz über den Berg trugen. Natürlich wird von Maria erwartet, dass sie ihren Schutzmantel über unsere Pfarrei, die ganze Stadt und über das Land gegen den Coronavirus ausbreite,
In den Anfangsschwierigkeiten der Evangelisierung Deutsch-Kameruns weihte der Pallottinerbischof Heinrich Vieter 1890 mit seinen Mitbrüdern die Christianisierung des Landes der Königin der Apostel und erhob Maria zur Landespatronin. Als sichtbares Zeichen gelobte er, in Ngaoundéré, im geographischen Mittelpunkt Kameruns, ein Nationalheiligtum mit der Bezeichnung «Notre Dame des
Apôtres» zu errichten. Mit der Krönung Marias als Königin des organischen Denkens 130 Jahre später erwarten wir einen neuen Pfingsteinbruch für das dritte Jahrtausend, von dem viele erhoffen, dass es nach den oft geistlosen Jahren ein spirituelles sein werde. Die Menschheit ist kriegsmüde. Früher wurden alle obligatorisch zum Kriegsdienst rekrutiert. Nach Vinzenz Pallotti sollten alle zum missionarischen Dienst eingezogen werden. Die Kirche des Missionars hat sich zur missionarischen Kirche „durchzumausern“. Covid-19 veranschaulicht diese Vision: Heiligtümer als neue Pfingstsäle sind die Ausbildungs-Kasernen gegen unsichtbare Gegner.
Covid-19 und Heilpflanzen
Wer zu einem Wallfahrtsort kommt, findet dort auch Spezialitäten für das leiblich und seelische Wohl: Kräuter, Käse, Liköre, Klosterbier, Häliböcke, usw. Bei uns war es die Wunderpflanze Artemisia, die wir ängstlich bewachten. Doch Corona hat uns einen Streich gespielt. Sie bekam den Ruf, gegen den Coronavirus zu immunisieren. Ganz Kamerun pilgerte bei uns vorbei, um das lebensrettende Elixier zu erwerben, und natürlich auch, um hinter unser Geheimnis zu kommen und ein paar Pflanzen oder Samen zu stibitzen. Madagaskar und weitere Produzenten begannen, in grossen Mengen zu importieren. Die Regierung hat im Duell mit der Pharmaindustrie die Position geändert. Vor einem Jahr bekämpfte man Artemisia als Droge. Heute fordert der Gesundheitsminister, dass jede Haushaltung ein kleines Artemisia Gärtchen anzulegen hat. Der Markt unserer Spezialität des Wallfahrtsortes ist so zusammengebrochen, aber nicht unser Name und Ruf. Denn schon lange wurden wir gefragt, ob wir nicht andere Heilkräuter hätten für die zahllosen Beschwerden des modernen Lebens.
So reifte die Idee, ein Gesundheitszentrum auf pflanzlicher Basis aufzubauen. Bruder Olivier ist Spezialist für die künftige ewige Anbetung, die zu einem echten Wallfahrtsort gehört. Als Freund des Heiligtums (Ami du Sanctuaire) ist er unser Lehrmeister im Aufbau des Gesundheitszentrums geworden. Er hat mit einigen unserer Mitarbeiter eine halbjährliche Ausbildung an zwei Nachmittagen der Woche begonnen. Die Ausbildungsmodule beinhalten Kenntnis der Heilpflanzen, ihre Heilkräfte, Dosierung und Mischung, Anwendung, Symptome und Kenntnis der Krankheiten, medikamentöse Behandlung, das Vertrauen des Kranken gewinnen, usw. Bruder Olivier benutzte eine Dienstreise für seine Gemeinschaft, um Heilpflanzen auf verschiedensten Flächen zu suchen und Geräte für die Konsultation und Behandlung zu kaufen.
Zurzeit gedeihen in unserm St. Hildegard Garten Heilpflanzen jeglicher Art, die wir ernten, dörren, malen, mixen, oder aus denen wir geeignete Wirkstoffe gewinnen. Sirups werden hergestellt. Wir spielen noch selber die Patienten und erfreuen uns auch an Früchten oder Gemüsecocktails, an gemischten Kräutersalaten oder Breis aus verschiedenen Getreidesorten als Aufbau Präparate. Ein altes Haus wurde als Gesundheitszentrum eingerichtet. Es besteht aus Räumen für die Trocknung und Verarbeitung der Kräuter mit Brauküche, Behandlungszimmer, Büro, Pharmazie. Unser Lehrmeister ist auch Samuel Kleda, Erzbischof von Douala. Er entwickelte eben ein Medikament auf pflanzlicher Basis, um Corona Patienten zu heilen. Er gibt es gratis an Spitäler ab. Unsere Bio-Marza-Artemisia ist ein Bestandteil darin. Ich war schon sein Gehilfe beim Ausgraben von Wurzeln. Für den Moment kostet das Geld, soll aber eine künftige Einnahmequelle werden, die ein Wallfahrtsort braucht. Weil die Menschen als Opfer der heutigen mechanisierten Gesellschaft krank sind, braucht ein Wallfahrtsort auch eine Institution für körperliche Krankheiten, die nach afrikanischer Tradition letztlich eine seelisch-geistigen Ursache haben.
Covid-19 und Atelier für Kirchenfernster
Wer etwas Ruhe, Ausspannung und Erholung braucht, kann eine Auszeit in unserm Pilger- und Gästezentrum machen. So kam im Februar Fernand Kabongo, gebürtig aus dem Kongo und Dozent in Yaoundé. Er fand Gefallen an der pittoresken Wallfahrtswelt von Marza und den damit verbundenen Projekt-Visionen und wollte mir zu deren Verwirklichung helfen. Zuerst entwickelte er eine professionelle Webseite für unser Heiligtum www.sanctuaire-ngaoundere.cm. In einer zweiten Phase bildet er junge Leute aus der Pfarrei aus, die diese Website verwalten und wöchentlich mit neuen Bildern, Informationen, Kommentaren und spirituellen Impulsen speisen.
Fernand, jetzt von der Corona Epidemie zurückgehalten, war früher sieben Jahre in der Ausbildung bei der «Congregation Cœur Immaculée de Marie» in Yaoundé. Die Gemeinschaft führt ein Gästehaus. Mgr Pirenne Roger, emeritierter Erzbischof von Bertoua, hat dort ein Atelier für Kirchenfenster eingerichtet und hat viele Aufträge. Anlässlich eines Aufenthaltes in seiner ehemaligen Gemeinschaft hat der künstlerisch veranlagte Fernand im Atelier des Bischofs mitgearbeitet. Mgr. Pirenne hat das Talent seines Mitbruders entdeckt und ihm anerboten, ihn kostenlos auszubilden, was auch geschehen ist. Wir tragen uns mit dem Gedanken, in Marza ein Atelier für Fenster von Sakralbauten zu eröffnen, ein Handwerk das am Aussterben ist. Fernand hat schon ein paar Fenster aus Glasbausteinen für unsere Wallfahrtskirche geschaffen. Er hat Aufträge für zwei Kirchenbauten hier in der Stadt. Momentan ist er bei Mgr Pirenne als Zeichner und Entwerfer, um Geld zu verdienen für die Ausstattung der neuen Werkstatt, die wir fürs Erste in meiner noch leer stehenden Altersresidenz einrichten wollen.
Covid-19 und Wallfahrt
Was ich befürchtet hatte, trat vor dem 4. Fastensonntag und vor der alljährlichen, diözesanen Wallfahrtswoche ein. Die Priester waren bereits hier, als die Regierung anordnete, dass nicht mehr als 50 Personen sich versammeln dürfen. Ein Tag vor Beginn musste die letzte Vorbereitung der dreitägigen Grosswallfahrt abgebrochen werden. Das Thema für die Wallfahrtswoche lautete: «Bin ich denn verantwortlich für meinen Bruder?» Das ist die Antwort Kains auf Gottes Frage: „Wo ist dein Bruder Abel“. Das Wallfahrtsmotto zum Thema «Verantwortung» war eine Inspiration von Anne Lonsdorfer. Sie war ein paar Wochen hier zu Besuch und nahm an allen Versammlungen teil. Sie hatte seinerzeit mit uns im Tschad fünf Jahre lang gearbeitet und versuchte nun, dem Einsiedler wieder etwas „Kultur“ beizubringen. Danke Anne!
Da normalerweise die Pfarreien den Wallfahrtsobulus für den Bau der Wallfahrtskirche schon vorher auf das Wallfahrtskonto überweisen, gingen schöne zwölf Millionen Cfa ein oder 20000 Sfr. Damit wurden inzwischen 24 Trag-Säulen eingepflanzt und einbetoniert, auf denen die Arkaden der Dachkonstruktion ruhen sollen. Der Architekt hat bereits mit den Holzschalungen für die Rundbögen begonnen. Doch das Geld ist ausgegangen, um sie mit Eisen und Beton auszugiessen.
Wegen der Begrenzung der Gottesdienst auf 50 Personen verdreifachten sich in der Folge die Sonntagsmessen. Die Fronleichnamsprozession wurde auf den Berg verlegt, wo es genügend Felsblöcke für Fronleichnamsaltäre gibt. Abbé Thérence aus Burundi wurde hier nach Abschluss des Kirchenrechtstudiums in Yaoundé wegen Covid-19 zurückgehalten und verbrachte drei Monate hier in Ngaoundéré bei seinem Studienkollegen Pfarrer Loran Mbih, dem Vizepräsident des Comité de Pilotage unseres Wallfahrtsortes. Thérence entpuppte sich als Schönstattpriester. Als er noch zur Primarschule ging, besuchte ich seinerzeit Burundi. Er erkannte mich wieder. Seine besondere Art der Pastoral bei der Wallfahrt in unserer Pfarrei machte auch unsern Bischof Abbo aufmerksam. Er erschloss uns eine afrikanisch inkultivierte Marienspiritualität. Unser Bischof machte ihn zum Botschafter bei seinem Bischof in Burundi, damit er einige seiner Mitbrüder zu uns entsende.
Die Wallfahrt hat eben auch einen Schwenk nach innen gemacht. Die Diözese Ngaoundéré hatte vorzeitig praktisch alle ausländischen Missionare heimgeschickt. So entstand eine spirituelle Leere u.a. auch mit leeren Kirchen. Die leeren Kirchen wegen des Corona-Virus haben uns zum Bewusstsein gebracht, dass die Kirchen schon vorher leer waren wegen Mangel an pastoraler Spiritualität. Im Text „Christentum in Zeiten der Krankheit“ schlägt der tschechische, katholische Priester und Religionsphilosoph Tomáš Halík vor, man soll vielleicht das jetzige Fasten von den Gottesdiensten und vom kirchlichen Betrieb als eine Zeit der Gelegenheit zum Innehalten und zu einem gründlichen Nachdenken vor Gott und mit Gott annehmen und ernsthaft versuchen, der Welt eine ganz andere Gestalt des Christentums zu präsentieren.
Die Afrikaner traten zwar nicht aus der Kirche aus. Sie suchten aber wegen der geistigen Leere Hilfe bei den Exorzisten, um die Teufel auszutreiben, die sich in ihre Leere eingenistet hatten. So gab es bei unseren Grosswallfahrten immer spektakuläre Teufelsaustreibungen oder Zweikämpfe zwischen exorzierenden Priestern und dem Theater spielenden eingebildeten «Besessenen». Heute ist wieder die innere Heilung gefragt. In diesem Sinne bieten wir unter anderem jeden dritten Samstag des Monats einen individuellen Wallfahrtstag an als Einkehrtag mit Vortrag, Aussprache, Anbetung, Beichte oder Gespräch und Messe für die innere Heilung. Taufe, Firmung und Trauungen wurden am 16. August gefeiert. Samuel Kleda, der Erzbischof von Douala und Präsident der kamerunischen Bischofskonferenz gab dem Fest der Sakramente der Wallfahrtspfarrei eine besondere Note durch seinen unerwarteten Besuch.
Im Februar gerade noch vor Ausbruch von Covid-19 lud uns Nicolas Natjbab in den Tschad ein, wo er zum Bischof von Lai geweiht wurde. Nicolas gehört auch zu der nun recht grossen Gruppe der Schönstatt Bundespriester an, die ich mit Franz Kraft aufbauen und begleiten konnte.
Ausblick: Dieser Rundbrief will zeigen, dass gerade die auferlegten Beschränkungen neue Fruchtbarkeit hervorbringen. Man ist befreit vom normalen Stress, hat mehr Ruhe und Zeit zum Meditieren oder in die Mitte zu gehen, um die körperliche und geistige Gesundheit zu verbessern. Man lernt wieder die «Zeichen der Zeit» zu lesen, an die Vorsehung zu glauben und Energie von oben – eben von Gott „anzuzapfen“.
Neben der Hildegardmedizin, und dem Kirchenfenster Atelier wird an der Wallfahrtskirche, dem Gäste- und Pilgerzentrum weitergebaut. Eine Bergquelle wurde gefasst und wird in ein 5000 Liter Reservoir gepumpt, auch zum Bewässern der Heilpflanzen. Das alte Projekt einer Mühle für Getreide und für die Pulverisierung von Gewürzen, Heilpflanzen und Knollen konnte dank eurer Mithilfe verwirklicht werden. Die Strom- und Wasserzufuhr wurde verbessert. Der alte Toyota konnte total revidiert werden.
Erzbischof Kleda von Douala setzt unsern Bischof Emanuel Abbo unter Druck. Er solle mit dem Gästehaus und der Wallfahrtskirche voranmachen, damit die kamerunische Bischofskonferenz bei uns tagen könne. Das stellt Marza in ein neues Licht.
Für die beiden Gründerbischöfe Heinrich Vieter und Yves Plumey - meine Arbeitsgeber – läuft der Seligsprechungsprozess. Mögen sie auch bei Euch ein paar Wunder als Entgelt für eure spirituelle und materielle Hilfe bewirken.
Alois Baumberger
Spendenkonto: Raiffeisenbank 9001 St. Gallen, Postcheck-Konto 90-788788-7
z.G.Konto: CH27 8000 5000 0251 3405 6
Alois Baumberger, Missionar, Centre de pèlerinage
B.P.513 Ngaoundéré-Marza, Cameroun
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oder
Partnerschaftsprojekt Gunu-Gang, Hörer Strasse 86, D – 56179 Vallendar
Spendenkonto: Sparkasse Koblenz, Kto Nr. 4012563, BLZ 57050120
Websites www.sanctuaire-ngaoundere.cm + www.Tschadbrief.ch
Rundbriefversand Baumberger Martin Alpbachhofstatt 10, 6472 Erstfeld Tel. 071 877 10 54 E-Mail : Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!